Arctic Monkeys :: Humbug
Schwergewichtig: die Wiedergeburt des Stoner-Rock aus dem Geiste des Brit-Punk.
Es wird finster in der Welt der Arctie Monkeys. Zwar waren deren Songs auch schon früher bevorzugt Nachtstücke. Aber die Dunkelheit jetzt ist nicht mehr Schutzraum für den Frust und adoleszenten Triebstau, der sich spätabends auf Tanzflächen oder bei Trinkgelagen entlädt. Die Finsternis, in die sich die Arctic Monkeys auf „Humbug“ begeben, ist eine existenzielle Dunkelheit, eine bedrohliche Schwärze, in dem Monster und Albträume lauern.
„My Propeller“ empfangt einen mit dunklen Vorahnungen, mit einem träge verschleppten Schlagzeug, mit einem verdoppelten Gitarrenriff, der verstörend durch den Song irrt, und mit der flehenden Stimme von Alex Türner, der die Töne dehnt, als ob er Beschwörungsformeln ausspräche, die nach Sex, nach Tod oder nach beidem verlangen.
Die Teenager-Rebellion ist vorbei, die Lust an der Alltagsprosa einer verrätselten Weltsicht gewichen. „Whatever People Say lAm, That’s What Vm Not“ (2006) und „Favourite Worst Nightmare“ (2007) waren großartige Sturm- und Drang-Alben. „Humbug“ dagegen taugt zum Klassiker.
Gewichtige Teile dieser dritten Arctie Monkeys-Platte wurden von Josh Homme in der Mojave-Wüste und in Los Angeles aufgenommen, „Humbug“ klingt ein bisschen wie die Wiedergeburt des Stoner-Rock aus dem Geiste des Brit-Punk, und dass Jamie Cook auf dem ersten Promo-Foto zum neuen Album einen Bart und ein Black Sabbath-T-Shirt trägt, ist natürlich kein Zufall. Wie etwa die Nummer „Pretty Visitors“ vorführt, die in einem rüden Zickzack die Arctic Monkeys von „Whatever People Say I Am, That’s What I’m Not“ auf die von „Humbug“ treffen lässt Auch die Single „Crying Lightning“, durch die ein fieser Bassriff brummt und eine einsame Gitarre hallt, hat etwas düster Getriebenes, Mysteriöses. „Dangerous Animals“ gibt sich als verwunschenes Riffmonster zu erkennen, das Turner durch seine Albträume verfolgt („I’m pinned down by dark“). Selbst hinter dem wehmütigen „Secret Door“ verbirgt sich ein dunkles Geheimnis. „Potion Approaching“ arbeitet sich an einem zickigen Riff ab, geht erst in einen verschwörerisch grummelnden Refrain und später in einen schwerfällig stapfenden psychedelischen Shuffle über. Und während das atmosphärische „Fire And The Thud“, das von geisterhaften Gesängen eingeleitet wird, wie eine verloren gegangene Doors-Nummer klingt, hätte man eine wehmütige Ballade wie „Cornertone“ dann doch eher im Repertoire der Kooks erwartet.
Bevor man allzu lange darüber grübeln kann, bekommt man jedoch wieder ein Schwergewicht wie „Dance Little Liar“ vorgesetzt – einen bösen nihilistischen Traum aus einer verzweifelten Twang-Gitarre, einem rumpelndem Rhythmus, einer bebenden Orgel und einem Alex Turner, der vom Ende der Unschuld singt: „And the clean Coming will hurt/And you can never get it spotless/ When there’s dirt between the dirt.“
Und wer dann immer noch nicht von dieser Platte besessen ist, den erwartet am Ende eine gespenstische Rocksuite namens „The Jewellers Hands“: Begleitet von einem störrischen Rhythmus-Track, der mit einem klimpernden Klavier, flirrenden Gitarren und einem somnambulen Glockenspiel garniert wird, träumt Turner vom Ertrinken. Dann verschluckt ihn die Dunkelheit.