ARTO LINDSAY – Noon Chili :: RYKO/RTD

Zärtlichkeit und Härte als flirtendes Paar, Lärm und Stille in inniger Umarmung, Harmonie und Zerstörung als verschlungene Geliebte: Die E-Gitarre bratzt kakophonisch in die verzupften Ausflüge der akustischen Schwester, donnernde Sambatrommeln wummern über sanften Elektro-Wellen, hauchdünne Bläser segeln über erdigem Sampler-Knirschen. Und Arto Lindsay singt: süße Melodien, wie man sie vom schönsten Brasil-Pop kennt, oder auch verkantete Song-Gerüste, als wäre Bossa-Nova-Erfinder Joao Gilberto ab Poststrukturalist zurückgekehrt.

Aber nicht nur was, sondern auch wie er singt, ist beachtlich: Dies könnte eine intelligente Version Barry Whites für die ausgehenden 90er Jahre sein, die Schlafzimmerstimme für herumreisende Internationalisten, die heute in Südamerika und morgen in Ostasien das Leben und die Liebe suchen – wenn schon nicht in Persona, so doch zumindest mittels einer exzellenten Plattensammlung – und hier einen unerwarteten Ausdruck (auch erotischer) Hochkultur finden.

Tja, so ist das mit dem neuen Album des in Brasilien geborenen New Yorkers, der vor fast 20 Jahren bei DNA und John Luries Lounge Lizards als genialer Dilettant mit brutalen Gitarrenattacken anfing und heute beides ist: ein Dilettant in Sachen Gitarre, die er immer noch nicht beherrschen will, was ihm, wie er selbst sagt, nach langjähriger Erfährung inzwischen viel Mühe bereitet. Und ein Genie in Sachen Gesang, das -Vorbild und Freund Caetano Veloso in den Ohren – hart an seiner Stimme gearbeitet hat und nun Melodien wie geschmolzenes Wachs über die bunten Arrangements zieht. Und der außerdem das Leben eines V&ltbürgers führt, was man der Musik zumindest vage anhört: Aus seinem Hauptwohnsitz New York kommen der Lärm und die intellektuelle Reflexion, aus dem Zweitwohnsitz Rio der Lärm und die Liebe zu Melodie und Rhythmus, aus der Drittheimat Tokio der Lärm und der buddhistische Hang zu Räumen und Momenten der Leere. Alle drei Städte sind zudem Orte der Verschmelzung von Gegensätzen, Modelle für das Leben im nächsten Jahrtausend.

Und dort trifft man, das darf man Arto Lindsay glauben, wohl auch wunderbare Frauen, intelligent, viel gereist, modern und sinnlich. Davon handeln Lindsays Songs, auch wenn sie es niemals explizit preisgeben. Diese Frauen werden sich in dieser Musik vermutlich wiedererkennen.

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