audio-books von Mathias Penzel
„Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 2“ (D>A-V) ist einer der Hits auf dem Hörbuchmarkt. Kaum überraschend, denn Bastian Sicks Aufdieschippenehmen von Eigenund Unarten deutscher Sprache bezieht sich ja nicht nur aufs geschriebene Wort. Verwunderlicher ist es, daß die listigen wie lustigen Beobachtungen in Buchform überhaupt einen so reißenden Absatz fanden, vorgelesen vom Autor selbst, sind die CDs sehr stimmig: Schließlich überzeugten die Bücher insbesondere aufgrund der textimmanenten Personality Bastian Sicks, seines Humors und des Timings, aufgrund seiner Auswahl plus einer Portion vermutlich identitätsstiftender Dreikäsehochigkeit. Denn so richtig Neues sagt er zu den Fällen und Unfällen nicht (wie er auf der CD gleich zu Beginn auch selbst einräumt). Merkwürdige Probleme bestimmter Ausländergruppen genauso wie uralte und neumodische Marotten von Muttersprachlern sind auch anderswo nachzulesen, mehr und minder unterhaltsam und spannend in etlichen Artikeln von Dieter E. Zimmer, in „Deutsch für Profis“. „Stilkunst“ und im Duden (Band 10 und n). Nichtsdestotrotz für Autofahrten empfehlenswert. 4,0 „echohee“ (FM 4.5.1), jüngste Veröffentlichung auf dem von FM Einheit losgetretenen Label, ist ein Hybrid aus Wort und Ton. Die Texte kommen aus einem von David Link programmierten Textgenerator. Was das Geschöpf des Medienkünstlers und Experten für Maschinenpoesie kreiert, wird von Super_Collider James Lideil abgelesen und vorgetragen und wiederum von der Maschine modifiziert und von Lidell bisweilen vorgesungen (bei „Together“ in Bowie-Moll). FM und Einheit-Komplizen schlagwerkeln und musizieren dazu – und zwar alle live und aus dem Stegreif. Sehr schräg, sehr offund mit freundlicher Unterstützung der Kunststiftung NRW und dem Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe. Dem Widerhall und Echo, vorwärts und rückwärts (daher „echohee“) ist umso mehr abzugewinnen, desto verkopfter einem gerade ist. Nicht tanzbar, nur unter Ausnahmebedingungen lesbar. 3,0 „FailSertracks“ (Random House Audio! ist eine dieser CDs, für die diese Rubrik kreiert wurde: nicht voll und ganz Literatur, nicht wirklich Musik, schon gar nicht ein von einem Synchronsprecher vorgelesener, bereits etablierter Klassiker. Vielmehr haben Keyboarder Jochen Rausch und Drummer Detlev Cremer Aufnahmen des viel zu früh verstorbenen Beatniks Fauser mit Rhythm & Sound untermalt. Die Lakonie der Gedichte, dazu der forciert abgef uckte Vortrag Fausers, in der Postproduktion mit changierendem Raumambiente versehen, und dazu vom Baß zusammengehaltene Minimalkompositionen, im Vordergrund mal eine Akustikgitarre, dann Piano, zumeist Laptop – cool, hat was. Eine richtige Inszenierung, eine neue Interpretation, teilweise auch mit umarrangiertem Text. Blöderweise hat die CD die erste Kerngruppe, Fauserianer und Fans, enttäuscht. Zum einen könnte der Sound vielseitiger sein, vor allem auch mal heftiger, zum anderen sind alle hier vertonten Gedichte auch auf der hervorragenden Doppel-CD „Fauser O-Ton“ zu hören. 3,5 „Dichter Stimmen II“ (der hörverlag) ist ein Querschnitt durch deutsche Literatur der 70er Jahre. Gern würde ich – und viele werden es – sagen, es handelte sich um die wichtigsten Gegenwartsautoren der 70er. doch was bei der Auswahl von 60er-Jahre-Repräsentanten (mit Kaschnitz, Bernhard, Elsner. Koeppen, Brinkmann, Lenz. Andersch und von Doderer) noch hinhauen mochte, hier geht es beim besten Willen nicht. Es sind die Literaten, die in den Siebzigern vom Deutschlandfunk eingeladen wurden, um aus kommenden Romanen vorzulesen. Weltfremd und wichtigtuerisch, aber nicht wichtig war allzu viel dieser Angestellten- und Beamten-Dichter. Ah!, sagt der Kenner, des Rezensenten Vorwurf ist so alt wie die Werke dieser Leute. Das nimmt dem Vorwurf nicht seine Wahrhaftigkeit.
Wobei die drei CDs, Fleißarbeit von Hajo Steinen. Literaturredaktionsleiter beim DF, schon außerordentlich präzise die Stimmen der Zeit einfangen. Also keine Titanen und Trümmer, Böll oder Grass, sondern Genazinos „Falsche Jahre“. Walsers „Seelenarbeit“ (wo man beim Lesen des Titels bereits genug hat, wie Fauser mal sagte), Botho Strauß‘ „Theorie der Drohung“, Handkes „Innenwelt der Außenwelt der Innenwelt“. Wie Steinert im Editorial einräumt: eben diese so gern verlachten Bauchnabelbetrachtungen. Als Zeitdokumente wertvoll und als solche schon auch unterhaltsam, eingerahmt von den Highlights (Canetti und Born). *3,0 „BambMand“ (intermedium rec) von Elfriede Jelinek wurde von einem hochkarätig besetzten Ensemble vertont. Thema ist die McDonaldisierung der Kunst (oder ein Sex-Spektakel/Hedonismus-Happening oder Reflexion der Unreflektiertheit der Medienkonsumenten oder oder oder…), und nach Schlingensiefs eher folgenloser Inszenierung am Burgtheater hat sich nun Karl „l’m only in it for the Zeilenhonorar“ Bruckmaier das Ding noch mal vorgenommen. Mit der Nobelpreisträgerin selbst am Mikro. außerdem llja Richter (!) und andere. Musik von F.S.K., also dem Konsortium um Pop-Literatur-Koryphäe und DJ Thomas Meinecke (komische Medaille für Dichter-Bio: „DJ“), so cutting edge, daß er sich weniger mit neuen Tönen befaßt als mit Zeichen und Codes, gender studies und anderen Theorie-Überbauten. Die drei CDs klingen sicher intendiertermaßen und ironisch gebrochen und verschachtelt – wie das ganze Leid des deutschen Hörspiels: viel Technik, viel Faszination ob all der Regler und Schnittstellen im Studio. Die Welt muß leider draußen bleiben, und so klingt es oft sicher auch Intention – wie ein Krippenhörspiel in einer Grundschule, in das sich ein Bajuware eingeschmuggelt hat. 2,5