Bargeld, Cave, Harvey – To Have And To Hold und Tindersticks – Nenette Et Boni :: Mute/Intercord, Mercury
Der Film ist immer schon da, wenn die Bad Seeds musizieren. Kid Congo Powers hat mit gerade einen grandiosen imaginären Soundtrack geschrieben (der ob juristischer Streitigkeiten apokryph bleiben wird). Die Dreieinigkeit Blixa Bargeld, Nick Cave und Mick Harvey legt einen veritablen vor für den Film „To Have And Tb Hold“ des australischen Regisseurs John Hillcoat Der hat schon Videos für Birthday Party und die Einstürzenden Neubauten gedreht, nun wird es ihm gedankt Natürlich trapst überall das Klischee, wenn ein Film sich den großen Melodramen der 40er und 50er Jahre sowie Hitchcocks „Vertigo“ und „Rebecca“ verdankt – Muster der Obsession und Vulgärpsychologie. Und außerdem? Menage à trois, Papua Neu Guinea, Dschungel, Kokosnüsse. Hat eigentlich Nick Cave die Filmmusik zum „Piano“ geschrieben? Regisseur Hillcoat räsoniert ganz richtig: „Sometimes the incomplete we feel, the more obsessed with owning someone onto whom we can project all of our missing qualities, hence the more exclusively possessive we become.“
Statt Kitsch und Kunsthandwerk fugt sich die Streichermusik mit Harfenklängen, Röten und Neubauten-Störgeräuschen aufs schönste. Es bliebe freilich Kulisse, enthielte der Score nicht eine Sensation: Denn das einzige Gesangsstück, Bob Dylans „I Threw It All Away“, intoniert Scott Walker – mit einer Stimme, die den tragischen Bariton seiner Jugend in Erinnerung ruft. Man hätte auch nicht gedacht, daß dieser untypische Dylan-Song jemals so strahlen würde. Und Walker, der auf „Tilt“ mit allem gebrochen hat, wagt eine Sentimentalität, die man – außerhalb der schnulzigen Auftragsarbeiten – seit „Scott 4“ nicht hören durfte.
Prädestiniert für Filmmusik sind auch die Tindersticks. Doch „Nenette Et Boni“ von Ciaire Denis ist keine gute Wahl für sparsame Versatzstücke vom zweiten Album des Ensembles und ein paar atmosphärische Klimpereien. Der Film handelt von einem desperaten Geschwisterpaar in Marseille – der Junge wird von sexuellen Obsessionen getrieben und träumt von der Bäckerin nebenan, das Mädchen ist aus dem Internat geflohen und außerdem schwanger. Denis verbindet so aufdringlich realistisch wie manchmal gewollt surreal Backwerk und Masturbation, Häschen und Baby, die Tristesse der Jugend und die Schmerzen der Entfremdung. Schemenhaft wird jeder Ausschnitt, jedes Geräusch zum Symbol, jeder Obstkuchen zum Zeichen. Ein unromantischer Film also – und die Wonne des Bäckers und der Bäck-erin wird von Stuart Staples begleitet, der rätselhafterweise „Tiny Tears“ singt.
Die Tindersticks sind offenkundig im falschen Film – aber was mag sie so fehlgeleitet haben? Das beschaulich tröpfelnde Xylophon jedenfalls verweist nicht auf eine erhebliche Inspiration, es stammt aber aus dem Song „My Sister“ – und das könnte Frau Denis auf eine Idee gebracht haben.
Nein, die Tindersticks werden dereinst in einer finnischen Diskothek auf der Bühne stehen, und hinter der Kamera Aki Kaurismäki.