Beginners :: von Raymond Carver
Raymond Carver ist der vielleicht beste Kurzgeschichtenerzähler, den es je gab. Seine Storys sind direkt, präzise, reduziert und doch voller Empathie. Ihre Helden sind die Gescheiterten und Sehnsüchtigen, die Trinker und Ehebrecher, der Abschaum und das Salz der Erde. Carvers schmales Werk umfasst drei dünne Bände, der letzte, „Kathedrale“ von 1983, etwas dicker als die anderen. Heute weiß man, warum: Der Autor hatte sich gegen seinen strengen, genialischen Lektor Gordon Lish emanzipiert. Die kargen Carver-Meisterwerke wuchern hier zu üppigeren Geschichten; der inzwischen erfolgsverwöhnte Schriftsteller hatte Lish abgerungen, sich mit Eingriffen zurückzuhalten. Gut tat das den Storys indes nicht.
Auch die nun als Entdeckung gefeierten Urtexte zu Carvers 1981 erstveröffentlichtem Band „Wovon wir reden, wenn wir von Liebe reden“ enttäuschen. „Weniger cool, dafür viel lebendiger, dramatischer, widersprüchlicher“ findet Iris Radisch sie. Man kann auch sagen: gewöhnlicher, langatmiger. Starke Geschichten, natürlich, aber keine literarischen Revolverkugeln, wie die vom Lektor gestrafften und teilweise bis um die Hälfte zusammengestrichenen Versionen. Man sollte also Lishs „Originale“ lesen, nur dort findet sich der schockgefrorene Realismus, der Carvers Weltruhm begründet. (S. Fischer, 21,99 Euro) Sebastian Zabel