Belle & Sebastian – The Boy With The Arab Strap :: Virgin
Ihre vorletzte Single, „Lazy Line Painter Jane“, schien eine musikalische Trendwende einzuläuten. Großer Gestus, sub-spectorianisches Drama, Handclaps! Brillant, aber wo war das Linkische, das lukullische Understatement, das den wackligen „Dog On Wheels“ auf die Piste schob und der zweiten LP, „If You’re Feeling Sinister“, diesen burschikosen Charme verlieh? Keine Bange, alles wieder da. So anheimelnd und gleichzeitig beunruhigend wie früher, so befangen im Alltag, so fern jeglicher Ironie.
Das schottische Oktett schreibt von Dingen, die man leicht als ultra-profan abtun könnte. Belle And Sebastian besingen einen Mikrokosmos der Gefühle, der kleinen privaten Neigungen und Perversionen. Wo sich die Anti-Helden in Pulp-Songs vor dem Spiegel über Akne ärgern und nicht wissen, welches Hemd zu welcher Hose paßt, bleiben die Figuren in Belle And Sebastian-Kurzgeschichten lieber gleich zu Hause. Keine frische Unterwäsche, weil die Waschmaschine streikt. Oder einfach keine Lust Songs über einfach keine Lust kann man sich nicht ausdenken. Man muß sie erleben. So wie sie Seymour Stein, den Sire-Supremo erlebt haben müssen. Sonst hätten sie den nach dem Label-Tycoon benannten Song nicht dichten können: „Promises of fame, promises of future/ LA to New %rk, San Francisco back to Boston/ Has he ever seen Dundee?/ Won’t he hire a limousine?/ Seymour, bring her back to me.“ Was war geschehen? Was ist real? Ein Apolog oder womöglich nur ein Traum? Ein Wunschtraum bestimmt nicht.
„Soberly, without regret, I…“ hebt Stuart Murdoch in „Ease Your Feet Into The Sea“ an. Ein Anfang, der nach einer Fortsetzung verlangt wie „…killed him“ oder „…kissed her“ oder doch wenigstens „…left her Standing there“. Irgend etwas Bedeutsames, verdammt. Nicht so diese Boys & Girls. „…make another Sandwich“, gibt die Zeile preis. Und das nüchtern! Ohne Reue!
Die Musik hat marginal mehr Kontur als auf „Sinister“, bleibt aber stets extrem unaufdringlich, auch wenn sie Kirmes insinuiert oder Verliebtsein. Auch wenn die kleinen Emotionen mal eben kurz hochkochen, moderat, ganz ohne Diktat des guten Geschmacks. Purer Pop eben, ungestreckt und ganz reizend.