Capitalism is killing music“, stand auf Billy Braggs Album „Workers Playtime“, zusammen mit dem Hinweis, man solle nicht mehr als 4,99 Pfund dafür zahlen. Es war 1988, und die Plattenfirmen hörten natürlich nicht auf die Warnung, das Geldverdienen war ihnen wichtiger. Aber die Zeit hat dem Sänger Recht gegeben, mal wieder – auch wenn er damals sicher nicht an Downloads und Web 2.0 gedacht hat. Wie immer dachte Bragg vor allem daran, wie man die Welt ein bisschen besser machen kann.

Das Boxset „Volume II“ fasst logischerweise die zweite Schaffensphase der britischen One-Man-Opposition zusammen, seine vier Platten seit 1988, alle mit einer weiteren CD mit je rund einem Dutzend zusätzlicher Songs versehen. Acht Alben also, und kaum ein überflüssiges Stück. Die Bonus-CD zu „Worten Playtime“ besteht vor allem aus Demos zu den Stücken, die dann in etwas anderer Form auf der Platte landeten, aber dazwischen findet man noch eine Cover-Version von Paul Wellers „That’s Entertainment“, das hier noch britischer klingt, wenn das überhaupt möglich ist, dafür nicht ganz so eindringlich. Sehr rührend und passend wie die Faust in der Tasche: Tim Hardins „Reason To Believe“, live aufgenommen wie auch das Traditional „Raglan Road“.

Dass der Folk-Sänger mal bei „Top Of The Pops“ landen würde, hätte keiner gedacht – bis zum Top-Ten-Album „Don’t Try This At Home“ von 1991, das immer noch nichts von seinem rabiaten Charme verloren hat, ob im sarkastischen Hilferuf „Accident Waiting To Happen“ oder in der eher gefälligen R.E.M.-Koproduktion „You Woke Up My Neighbourhood“. Zum ersten Mal versuchte sich Bragg an einem Stück nicht über Liebe, sondern Sex, und gab jegliche Zurückhaltung auf, sang von der Lust auf alles Mögliche und dichtete: „Don’t threaten me with misery/ I demand equality“. Der beste Vers von „Sexuality“ ist allerdings: „And just because you’re gay I won’t turn you away/ If you stick around I’m sure that we can find some common ground.“ Humor war immer ein großes Thema bei Billy Bragg.

Zu den 14 Outtakes, die selbst dieses dichte Album noch abwarf, gehören zwei schöne Stücke mit Braggs Schwester im Geiste, Natalie Merchant, das schwermütige „Party Of God“ und das noch traurigere „Bread & Circuses“, dazu ätzt Bragg „Revolution“-viel zu schnell, als wäre es ihm selbst peinlich.

Als 1996 „William Bloke“ erschien, gab gleich das erste Stück die Richtung vor – es geht um das Erwachsenwerden in seiner schlimmsten Form: In „From Red To Blue“ beschreibt Bragg gnadenlos präzise, wie das Leben, die Kinder, die Zukunftsangst aus einem Idealisten einen egoistischen Spießer machen. Ihm passierte das nicht, trotz der vielzitierten Frage „Should I vote red for my class or green for our children?“. Bragg hielt weiter unverrückbar an seinen Werten fest, sang von der Malaise der „Northern Industrial Town“, von vielen Sorgen und ein bisschen Hoffnung am Horizon.

Im Bonus-Teil covert Bragg in düsterer Manier „Never Had No One Ever“ von den Smiths und geißelt die „Thatcherites“, die auch nach Maggies Amtszeit an deren Grundsätzen festhalten:“Your leader she has gone, but she’s left us Little John/And he’s barely hanging on by his nails.“ Und es wurde nicht besser.

Auf „England, Half English“ (2002) forschte Bragg weiter, was seine Nationalität eigentlich zu bedeuten hat, und langsam kommt er in ein Alter, in dem sich kaum noch eindeutigen Antworten finden. Er zieht sich jetzt manchmal ins Private zurück, sucht seinen eigenen Sinn („Some Days I See The Point“), lässt sich aber den Spaß an Parolen nicht nehmen. „Take down the Union Jack, it clashes with the sunset/ And ask our Scottish neighbours if independence looks anygood…“ Beim Zusatz-Material sind hier besonders die Covers erstaunlich. Bruce Springsteens „Mansion On The Hill“ schunkelt fast, Woody Guthries „Dry Bed“ ist dagegen beinahe funky, „She Smiled Sweetly“ von den Rolling Stones so schwergängig wie zärtlich.

Und dann ist da noch die DVD „If You’ve Got A Guestlist…“, auf der Billy Bragg & The Red Stars im Londoner Town & Country Club zu sehen sind, 1991, und der Sänger allein auf der diesjährigen „Hope Not Hate“-Tour, zu Hause in Barking. 15 Jahre liegen dazwischen, aber das hört man nicht, man sieht es nur. Offensichtlich hält Rückgrat jung.