Biörk – Music From „Drawing Restraint 9“
Die isländische Exzentrikerin Björk ist seit längerem mit dem amerikanischen Künstler Matthew Barney liiert, dessen filmischer „Cremaster‘-Zyklus unter Feuilletonisten als extrem heiß gehandelt wird. Seit dem Abschluß des Großwerks, das ein ganzes Jahrzehnt verschlang, arbeitete Barney an einem ähnlich abstrakten Film, der im Juli im Museum for the 21th Century in Kanazawa, Japan uraufgeführt wurde: „Drawing Restraint 9“ scheint visuell ebenso überwältigend und rätselhaft wie der (nach einem Muskel, der den Hoden hebt und senkt) benannte Vorgänger. Es gibt so gut wie keine Dialoge, und der Film versteht sich als abstraktes Märchen, näher an der Oper als an Hollywood. Björk und Barney spielen die Hauptrollen, die Handlung bezieht ihre Inspiration aus der kulturellen Tradition Japans, der Geschichte der Energiegewinnung aus Erdöl und einer Evolution der Menschen und Wale.
Und wer jetzt vermutet, Björk setze mit ihrem Soundtrack zu diesem irritierend Werk, den mit „Medulla“ begonnenen Anti-Pop-Kurs fort, liegt natürlich völlig richtig. Trotzdem zieht einen gleich der erste Song in seinen Bann: Begleitet von Zeena Parkins Harfe, einer Spieluhr und einem Kinderchor singt Will Oldham den Brief eines japanischen Fischers an General MacArthur: „The words I slowly put together/ Do not flow easily, they only fill my heart.“ Das ist keinen Augenblick spröde oder sperrig, sondern warmherzig, melodisch und zart.
Björk selbst hält sich mit dem Singen zurück, nur bei „Bath“, „Cetacea“ und „Storm“ klingt ihre Stimme so klar und glockenhell wie gewohnt. „Storm“, eine Zusammenarbeit mit der Elektronikerin Leila. ist ein weiterer Höhepunkt: minimalistisch und dennoch aufwühlend, mit einem tiefen melancholischen Baßlauf. Viele Stücke des Albums beziehen sich auf klassische japanische Musik, oft steht die von dem Virtuosen Mayumi Miyata gespielte Sho im Mittelpunkt. „Holographie Entrypoint“ ist fast pures Noh-Theater – tiefe kehlige Gesänge und fremd klappernde Rhythmen.
Und dennoch: Wer sich auf diese Musik einläßt, erlebt eine faszinierende Schönheit – entsprechend dem Ende des Films, wenn Björk und Barney als Wale in die kalten Weiten der Antarktis hinausschwimmen.