Blackhat :: Regie: Michael Mann

Der Autorenfilmer des Action-Kinos inszeniert mit großer Präzision einen modernen Cyberkrieg

In „Blackhat“ von Michael Mann („Heat“, „Collateral“) kommen zwei Arten von Waffen mit sehr unterschiedlichem Kaliber zum Einsatz. Das Bedrohungspotenzial eines USB-Sticks scheint gegenüber der Durchschlagskraft einer automatischen Waffe verschwindend gering. Doch solche Asymmetrien sind ein Merkmal moderner Cyberkriege: Der Aufwand steht in keinem Verhältnis mehr zum Schaden. Irgendwo in Südostasien knackt ein Hacker einen Zugangscode, und ein paar Tausend Kilometer weiter nördlich setzt in einem chinesischen Atomkraftwerk eine Kernschmelze ein. Das ist das Ausgangsszenario in „Blackhat“, den man auf den ersten Blick für einen Hackerthriller halten könnte, der sich aber bald als ein Film über unsere Informationsgesellschaft herausstellt – und darüber, was sie unter der Oberfläche zusammenhält. Die Eröffnungssequenz findet dafür ein treffendes Bild. Entfesselt taucht die Kamera in die Schaltkreise eines Rechners ein und rast durch eine Platinenlandschaft, immer tiefer in die Struktur dessen, was wir das World Wide Web nennen. Die Datenströme, an deren Spuren sich die Kamera heftet, erleuchten die fluoreszierende Nanowelt. Jedes blinkende Licht hat Konsequenzen in der Realität, worüber dann die globalen Medien in einer kurzen Montage aus Nachrichtenmeldungen berichten: Reaktorunglück in China.

Für einen Autorenfilmer des Action-Kinos stellt ein Film über Cyberterrorismus eine kleine Herausforderung dar. Manns Protagonisten sind Helden der Arbeit, sie definieren sich über ihre Professionalität, so wie sich Manns Kino über die räumliche Struktur seiner Bilder definiert. Um Architektur geht es letztlich in allen seinen Filmen: wenn er in „Collateral“ Jamie Foxx und Tom Cruise durch das gläserne Labyrinth zweier Wolkenkratzer jagt, durch das sie sich wie gehetzte Tiere anstarren, oder wenn die Kamera in „Miami Vice“ einen Nachtclub wie eine Raumsonde durchmisst, während sich Polizei und Gangster einen Schusswechsel liefern. Manns Filme zeichnet aus, dass sie, anders als etwa das Action-Kino eines Michael Bay, fest in der physischen Welt verankert sind, in der man auch als Zuschauer nie den Überblick verliert, selbst wenn einem die Kugeln um die Ohren fliegen. Diese Gewissheit wird jedoch in „Blackhat“ nachhaltig erschüttert.
Manns Protagonisten versuchen sich an der Rettung einer Welt, die sich permanent ihrem Zugriff entzieht. Der Hacker Hathaway, gespielt von Chris Hemsworth („Thor“), sitzt an der Schnittstelle zwischen der virtuellen und der physischen Welt, darum erweist er sich für das FBI als Allzweckwaffe: ein Nerd im Körper eines antiken Helden. Mit Quellcodes geht er genauso versiert um wie mit seinen Fäusten – darum sitzt er auch lebenslänglich in einem US-Hochsicherheitsgefängnis.

Um den Urheber des Anschlags auf das AKW zu enttarnen, reicht die Kompetenz von Manns analogen Profis allein nicht mehr aus. Also stellt das FBI Hathaway seinem alten Uni-Freund Dawai, Cybercrime-
Experte des chinesischen Geheimdienstes, und dessen Schwester Lein zur Seite. Gemeinsam verfolgen sie die Datenspur des Täters um den halben Globus bis nach Indonesien. Dieser globale Modus dient allerdings nicht als Vorwand für exotische Schauplätze, vielmehr wird hier die Vernetzung der Welt noch einmal sinnbildlich. Ähnlich konsequent operiert Mann auch im Visuellen. Er sucht nach filmischen Lösungen, die abstrakte Prozesse konkretisieren: Ein Hack wird in einer Draufsicht durch die transparente Tastatur gefilmt, einmal blickt die Kamera aus einem USB-Eingang. Manchmal wirken diese Stilmittel wie naive Versuche, die komplexen Verbindungen von materieller und immaterieller Welt visuell zu erfassen, gleichzeitig manifestiert sich in ihnen aber auch die Unsicherheit gegenüber einer neuen, informellen Machtordnung.

Dass Mann – selbst ja kein Technik-Skeptiker, mit „Collateral“ begründete er eine neue Digital-noir-Ästhetik – diese Konflikte letztlich wieder in Schusswechseln und handfester Action auflöst, könnte man als Kapitulation vor diesen Herausforderungen interpretieren. Allerdings liegen hier noch immer seine Stärken. Kein Regisseur filmt urbane Räume und Actionszenen mit dieser Präzision. Die zentrale Schießerei auf einer nächtlichen Straße ist choreografiert wie ein ballistisches Todesballett: Kein Schnitt ist zu viel, kein Wort überflüssig, jede Geste sitzt. Im Metier Action finden Mann und seine Figuren ihr Selbstverständnis.

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