Blackmail :: Anima Now!
Die Wucht der Koblenzer lässt auch ohne Aydo Abay nicht nach.
Und, ja! Auch nach dem von gegenseitigen Hassgefühlen befeuerten Ego-Clash, der im Dezember 2008 zum Abbruch der „Tempo, Tempo“-Tour und zum Abschied von Band-Stimme Aydo Abay führte, bleiben Blackmail in hohem Maße infiziös. Noch immer schlagen die druckvollen Lieder aus Koblenz beim ersten Hören eher obskure Haken, werden dann aber zwingend und schieben sich so schleichend und unwiderstehlich unter die Haut – mit jeder Umdrehung tiefer.
Weiterhin herrscht berauschender Endorphin-Alarm, sobald Kurt und Carlos Ebelhäuser ihre massigen Gitarren- und Bassbarrikaden aufschichten und Mario Matthias seine Kollegen mit der energischen Präzision des kompromisslosen Zuchtmeisters durch die Songs trommelt. Und der neue Sänger? Verständliche Nostalgie der Blackmail-Traditionalisten beiseitegelassen, lässt Mathias Reetz keine Wünsche offen. Wie Abay setzt er dem donnernden Spektakel von Saiten und Drums leicht näselnde Sanftheit entgegen. Am schönsten funktioniert das beim fulminanten „Bugs“. Reetz‘ raspelnder Vortrag setzt dem rasanten, popseligen Groove und der himmelstrebenden, beatleesken Melodie die Krone auf. „Sky On Sky“, mit rückwärts laufenden Bändern und kunstvoll gestapelten Männerchören, bekommt durch ihn eine emphatische Intensität.
Auch die Single „Deborah“, das von sphärischem Schweben zum metallischen Brett explodierende „Santa Rosalia“ oder das mit britischer Kopf-in-den-Nacken-Rotzigkeit vorgetragene „Resonant Wave“ hat alle hochgeschätzten Blackmail-Qualitäten: das zärtlich Umarmende bei krachender Brachialität, das Definitive, Letztgültige und keine alternative Fassung Duldende. Es gibt tatsächlich ein Leben nach dem Tod. Und wir ahnen, dass der geblendete Leonardo auf dem Cover mit seiner obszönen Handgeste den ehemaligen Kollegen grüßt. (45/Soulfood) Rüdiger Knopf