Blue October – Approaching Normal
Natürlich hat Amerika ein Problem mit Blue October. Einst eine eindeutig erkennbare Post-Grunge-Band, setzt sich das texanische Quintett mittlerweile gekonnt zwischen die Stühle, schreibt Hits, aber stilistisch uneinheitliche Platten. Das letzte Werk, „Foiled“, erhielt trotzdem Platin, weil der Hit „Hate Me“ mit einer einfachen Formel direkt zur Sache ging. Es ist die irre Intensität von Sänger Justin Furstenfeld, die hier die Kunden bindet. Furstenfeld klingt wie eine Mixtur aus Keith Caputo und Jack Black, singt von brutaler Wut, Selbstmord und manischer Depression.
Stephenie Meyer schreibt ihre Bücher zu Blue October, nahm den Sänger sogar als musikalischen Gast auf eine Lesereise mit. Die dunkle, gequälte Seele, das ist hier das Thema. Auch auf dieser neuen Platte wird gelitten, allerdings muss nicht nur der Sänger dran glauben. Furstenfeld singt in „Weight Of The World“ von einer Gewaltorgie im elterlichen Badezimmer, ermordet in „The End“ auf theatralische Weise die Ex-Freundin und deren Lover und gräbt in „Dirt Room“ einen Widersacher bei lebendigem Leib in ein Erdloch. Die Musik zu den Ausschweifungen ist hart, härter als bisher. Steve Lillywhite produziert Blue October trotzdem eher klassisch, nicht neu-amerikanisch aufgeblasen.
Nach dem Hass kommt das eigentliche Thema der Platte, der Weg zur Normalität. Furstenfeld bekommt seine Depressionen angeblich langsam in den Griff und schreibt deshalb etwas freundlichere Lieder. „My Never“ berührt zart mit akustischer Gitarre, das hymnische „Should Be Loved“ spielt mit 80s-Verweisen, „Blue Skys“ zappelt fast fröhlich in double time. Auch ein sicherer Hit ist dabei: „Say It“.
Einiges auf „Approaching Normal“ wirkt wie ein übertriebener Kehraus, zumal man angesichts der rohen Gewalt auch hinter den sanfteren Liedern einen Psychopathen vermutet. Auch die stilistische Bandbreite wirkt manchmal verwirrend, doch das ist ja das Spannende an dieser Band. Immerhin kann man sich an ihr reiben.