Bob Luman – Let’s Think About Living His Recordings 1955-1967

Es mag Wahnsinn sein, aber zumindest hat der bei Bear Family-Bosss Richard Wetze immer Methode. Denn bei ganz profaner Betrachtungsweise fällt der 1937 in Nacogdoches, Texas, geborene Bob Luman in die Spezialkategorie des sogenannten one hit wonder. Wobei er absolut nicht dem Klischee eines Wunderkindes entsprach, als er seinen ersten und einzigen richtigen Hit hatte. Denn dieser novelty song war doch nur als ein ironischer Kommentar zu dem 1959/60 in Hochblüte stehenden Genre des Death-Rock-Songs gedacht. Und plötzlich fast ein so großer Hit wie diese todessehnsüchtigen Lieder von Patti Page („One Of Us Will Weep Tonight“) oder Marty Robbins („El Paso“) und Everly Brothers („Ebony Eyes“).

Dass seine Aufnahme von „Red Cadillac And A Black Moustache“ einen gewaltigen Eindruck beim blutjungen Anfänger Ricky Nelson hinterließ, kann man so wenig überhören wie bei anderen der Imperial-Jahre, dass er einer der größten bekennenden Elvis-Fans war. Zumindest als er den mal erlebte und danach behauptet haben soll:

„Das war das letzte Mal, dass ich so zu singen versuchte wie Webb Pierce oder Letty Frizzell.“ So bravourös wie er „This Is The Night“ vortrug, hält das jeden Vergleich mit Elvis‘ besten Sun-Aufnahmen aus. Groß auch „Make Up Your Mind Baby“, das es auf CD 1 gleich dreimal gibt, nämlich in einer zünftigen, allen Ansprüchen der Gattung genügenden Interpretation, gleich danach in einer wirklichen wild Version und am Ende in hinreißend „klassizistischer“ Deutung, in perfekter Harmonie mit der Band vorgetragen. Die Band fand später Imperial-Kollege Ricky Nelson so hervorragend, dass er sie ihm ausspannte.

Wenn alles mit rechten Dingen zugegangen wäre, hätte „Red Hot“ ihn zum Star machen müssen. Sein Gitarrist war der blutjunge, gerade mal 16 Jahre alte James Burton, der die Konkurrenz bei Dale Hawkins‘ „Suzie Q“ in Grund und Boden spielte und viel Bewunderung auf sich gezogen hatte. Burton wird in den Liner Notes auch mit der Behauptung zitiert, damals habe niemand den anderen zu kopieren versucht. Wenn Luman und Band bei „In The Deep Dark Jungle“ ganz wie der junge Johnny Cash bei den ersten Sun-Sessions klingt und der Gitarrist „My Baby Left Me“ zu intonieren scheint, dann seien solche Ähnlichkeiten nur dem Umstand zu verdanken, dass sie alle dieselbe Musik liebten – „the same type of music, the same sounds“, wie Burton sagt. Bei einer frühen Aufnahme wie „Let Her Go“ ist der Einfluss von Hank Williams überhaupt nicht zu überhören. Bezeugt ist auch, dass Bob Luman immer in der ersten Reihe saß, wenn Elvis nach Shrevport kam, um beim „Louisiana Hayride“ aufzutreten. Ein Ohr für erstklassige Songs hatte er jederzeit. Als er Buddy Hollys „Blue Days, Black Nights“ aufnahm, kannte den noch kaum jemand. Und er war sich auch gar nicht bewusst, welches Glück ihm beschieden war, als der geniale James Burton jederzeit seine Dienste anbot, wenn er ihn brauchte. In Sachen Showbusiness war er so wenig bewandert wie andere Rock’n’Roller der ersten Stunde. Anders ist auch nicht zu erklären, dass er in Roger Cormans unsäglichem „Carnival Rock“ auftrat. Zu den amüsantesten Passagen der Liner Notes gehört die Anekdote, in der Hank Davis erzählt, wie Luman kurz nach den Sessions mit Billy Rileys Rockabilly-Evergreen „Red Hot“ seinen 20. Geburtstag erlebte. Er glaubte, dass es mit seinem Leben, seinem Sexappeal und seiner Karriere zu Ende gehen werde, weil er kein Teenager mehr war.

Nach den völlig erfolglosen Singles „Buttercup“ und „Dreamy Doll“ – schlimmes Gesülze an der Grenze zur Selbstparodie erste Single und definitiv Sub-Standard die zweite, gemessen an so vielen prima Aufnahmen für Imperial – erklärte er bei einem Auftritt Ende 1959 einem mild geschockten Publikum, dass er das doofe Showbusiness wieder verlassen und seine Profi-Baseballer-Karriere fortsetzen werde. Im Publikum saßen die Everly Brothers, die ihn hinter der Bühne beschworen, doch einen letzten Versuch mit einem Bryant-Song zu unternehmen. Jetzt – bei „Let’s Think About Living“ – hörte jedermann zu, auch wenn man sich nicht unbedingt den Namen des Sängers einprägte. Später klang er bei einem Roy-Orbison-Song wie „(Empty Walls) A Lonely Room“ mehr als nur ein wenig wie Johnny Cash. Und klassische Country-Heuler wie „Tears From Out Of Nowhere“ brachte er absolut glaubwürdig rüber. Trinker wissen, wovon sie singen.

Unter Aufsicht von Richard Weize ist das ein schönes Sammlerteil geworden.

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates