Brandon Flowers :: Flamingo
Der Killers-Sänger lädt ein zum bombastischen Illusions-Theater.
Vielleicht auch ein Problem vieler Killers-Verächter: dass sie nie genug Geduld haben. Eine gewisse Ekelgrenze musste man bei dieser Band zuletzt ja häufiger überwinden. Brandon Flowers ist ein großer Verführer, bei dem man nicht immer weiß, ob man sich seine Musik nur schön gehört hat oder ob sie wirklich gut ist.
Nun sehen wir den Sänger in einem schwachsinnig martialischen Video zum Song „Crossfire“, in dem Charlize Theron ihn aus der Gewalt von Ninjas befreit. Der Folterkeller wirkt ebenso aseptisch wie der „dreckverschmierte“ Flowers, die „dreckverschmierte“ Theron. Natürlich ist der Song ein unwiderstehlicher Hit – auch wenn man nicht versteht, was das Ganze soll und worum es geht. Was zählt, ist die perfekte Hülle. Insofern ist es nur konsequent, dass Flowers das erste Solo-Album seiner Heimatstadt Las Vegas gewidmet hat. Die anderen Killers wollten nach 14 Millionen verkauften Alben mal Pause machen, Flowers trieb der Ehrgeiz weiter. Gram ist man sich offenbar nicht – Ronnie Vannucci und Dave Keuning sind auf „Flamingo“ zu hören. Der Eröffnungssong „Welcome To Fabulous Las Vegas“ zitiert das bekannte Schild am Eingang der Spieler-Metropole. Es geht um Sühne, Schuld, Versuchung und Vergebung, irgendwas in der Richtung, und eigentlich ist es auch egal – Flowers interessiert am Pop nur das Populäre.
Seine Songs versieht der 29-Jährige mit einer bei Springsteen und anderen geborgten, seltsam inhaltsleeren Lyrik, mit der weiter zu beschäftigen sich nicht lohnt.So bleibt der Pop-Roboter Flowers ein Handwerker, dem auch auf „Flamingo“ wieder beinahe alles gelingt. Er hat ja auch die Guten auf seiner Seite: Bei „Hard Enough“ duettiert er mit der wunderbaren Jenny Wilson. Neben Stuart Price, der bereits das letzte Killers-Werk produzierte, assistieren Daniel Lanois und Brendan O’Brien. Gemeinsam errichten sie ein stilistisch zwischen „Sam’s Town“ und dem Synth-Pop von „Day & Age“ changierendes Illusions-Theater.
„Der ausgeprägte Hang zur Selbstdarstellung und die gesamte Haltung, die in den zehn Tracks durchschimmert, ist einfach nur bombastisch – ein musikalisches Vegas-Spekakel, wenn man so will“, findet die Plattenfirma. So ist es. (Universal) Torsten Gross
Neil Young **¿
Le Noise
Daniel Lanois lässt den Grantler leider nur selten in Ruhe zupfen.
Die erste Meldung aus dem Camp glich einer Sensation: Die neue Neil-Young-Platte sei vor allem „gitarrenlastig“ ausgefallen. Nicht zu fassen! Spielt nun also auch noch Gitarre, dieser Teufelskerl. Wenn er nicht gerade bei Letterman von der Öko-Karre erzählt, die das Benzin von selbst herstellt und dem Alten schon einige Meilen zu Fuß erspart hat (von Des Moines nach Pleasant Hill): „Eliminate roadside refueling!“
Statt „Twisted Road“ hat Neil nun doch den Albumtitel „Le Noise“ gewählt. Le Noise, Lanois, so clever, verstehen Sie? Denn es ist ja auch Daniel Lanois (dessen etwas verwaschene Produktion der wunderbaren Alben „Oh Mercy“ und „Time Out Of Mind“ Dylan vor Jahren in einem Interview bemängelte), der die acht jüngsten Neil-Stücke ganz sinngemäß mit einer Geräuschkulisse unterlegt, nach der niemand verlangt hat. Das ordentliche „Walk With Me“ klingt mit Feedback-Sperenzchen und Telefonpiepen aus, doch McFly ist nicht zu Hause, sondern back in the days: „Hitchhiker“ ist einer dieser Uralt-Songs, die Young noch auf Halde hatte: „A little cocaine went a long long way/ To ease that different load/ But my head did explode/ My head did explode.“ So weit ist es noch nicht, doch auch hier ersäuft die einst so herzerweichend nackte Stimme in Hall und Echo. Für unsere Leser unter 50: Es gibt ein Tocotronic-Fragment namens „Meine Schwester“, auf der Ähnliches mit einfachsten Mitteln und dem schrulligen Produzenten Hans Platzgumer ganz natürlich funktioniert.