Brian Eno & David Byrne

My Life In The Bush Of Ghosts

Century Media (EMI) 28.04.2006

Das rekonstruierte Rhythmus- und Stimmen-Album von 1981 Es gibt Alben, die zwar kaum jemand kennt, die aber in jeder Bestenliste ohne Widerspruch überdauern. Irgendjemand muss sie freilich einmal draufgesetzt haben. Die berühmteste Platte, die kaum jemand gehört hat, ist „My Life In The Bush Of Ghosts“. Während das verwandte (und ebenfalls kaum gehörte) „Remain In Light“ als Pop-Werk gilt, wird „Bush“ von Weltmusik-Enthusiasten wie von Elektronik-Experten und Freunden von Sampling und HipHop gefeiert. David Byrne deutet in seinem Aufsatz zur Neuauflage an, weshalb das so ist.

Es handelt sich hier um „gefundene Stimmen“ – Prediger, arabische Gesänge, religiöse Scants, Ansagen aus dem Äther, dem Radio, dem Funk. Weder Eno noch Byrne sangen, sie schrieben auch keine Texte. Notwendigerweise, folgert Byrne, entfällt auch die sonst übliche Identifikation mit dem Autor. Sogar der Titel ist ein bloßer Eklektizismus – Arnos Tutuolas „My Life In The Bush Of Ghosts“ hatten die beiden Künstler damals noch gar nicht gelesen, bloß ein anderes Buch des afrikanischen Dichters. Die schlichten, mystischen Erzählungen vom Schwarzen Kontinent passen so schön zu dem Getrommel und den sphärischen Sound-Schleifen, die hier zusammengeführt wurden, freilich noch ohne die avancierte Computer-Technik, die daraus längst einen Spaß für Zehnjährige gemacht hat. Vorgänger: Kurt Schwitters, Steve Reich John Cage, Karlheinz Stockhausen, die Musique Concrete überhaupt, allerdings ohne Busch.

Beim „Clearing“ der verwendeten Stimmen entfielen einige Schnipsel, weil die Rechte nicht abgesichert werden konnten. So entstand die zweite, die 1981 veröffentlichte Version des Albums. Erst jetzt wurden die ursprünglich zugrundeliegenden Tracks verwendet, mit denen auch die gesamte Struktur verändert wird – statt „Bonus-Tracks“. Keine Kleinigkeit und bei einem Rock-Album unvorstellbar – „America Is Waiting“ eröffnet jetzt den Reigen, einige Stücke kamen neu hinzu. Andererseits folgt das Album natürlich keiner narrativen Logik. Neue Hörer werden hier Großvaters Sound-Kunststückchen bestaunen, die heute nicht mehr ach so progressiv wirken – bisschen wie „Raumpatrouille Orion“ im Herz der Finsternis. Die jüngsten Arbeiten von Eno und Byrne hören sich dennoch im Vergleich uralt an, als wären sie mit anachronistischem Instrumentarium aufgenommen wurden. Vielleicht eine Lektion über Avantgarde und Konservatismus in der Kunst.