Brokeback Mountain :: Start 9. 3.
Man hat ja nur noch selten das Gefühl, einen Aufbruch mitzuerleben im Kino. Hollywood hat in den letzten Jahren überwiegend mit inhaltsleeren Computereffekten Rekordhysterien zu überbieten versucht. Der europäische Film dümpelt mit Einzelleistungen dahin. Die Dogma-Werke waren spannend, jedoch Nischenprojekte. Auch die Peripherie sendet nur ab und an einige aufregende Schlaglichter.
Und nun ein Deja-vu: Fünf für den Oscar nominierte, kritische und politische, unbequeme Filme. Produktionen, die Hollywood allenfalls durch Unterabteilungen mitfinanziert – abgesehen von Spielberg. Regiedebüts und Star-Schauspieler, die sonst ihr Talent in Konfektionskomödien verschleudern mußten. Da wähnt man sich ja fast in einem zweiten New Hollywood. Und ganz oben leuchtet mit acht Nominierungen Lees „Brokeback Mountain“, über den schon so viel geschrieben, gelobt und geschimpft worden ist, daß Leute abwehrend brummen, ohne eine Szene daraus zu kennen: „Warum soll ich mir denn schwule Cowboys ansehen?“
Provokation ist Lees Intention nicht, auch wenn er einige empörte Reaktionen vermuten mußte. Der Taiwanese hat einfach ein großes amerikanisches Melodram gedreht – ein „Vom Winde verweht“ über unmögliche Liebe und verweifeltes Begehren, gesellschaftliche Zwänge und dem wankenden Selbstbild zweier junger Männer. Vor wenigen Jahrzehnten war es ein Eklat, wenn eine alleinstehende Frau im Film mit einem Mann anbandelte – am besten nach einem Roman von Tennessee Williams, auch ein Homosexueller.
Aber es ist nicht das Thema, das „Brokeback Mountain“ so bemerkenswert macht, sondern eben der Film selbst, die berauschenden Bilder und trotzdem unprätentiöse Erzählweise, bei der man als Zuschauer versinkt in der Tragik der Geschichte. Schon die ersten Kameraeinstellungen sind betörend von vibrierender Kraft: Da stehen sich die beiden jungen Burschen vor einem alten Wohnwagen gegenüber, in Jeans und Stiefeln, halten die Beine gekreuzt, linsen unter ihren Hüten hinüber, lässig und dennoch unsicher. Ennis (Heath Ledger) und Jack (Jake Gyllenhaal) werden von einem Schafzüchter den Sommer über alleine in die Berge geschickt, um dort eine Herde zu hüten. In einer kalten Nacht kommen sie sich im engen Zelt näher. „Nur damit du es weißt“, sagt am Morgen danach Ennis, der später seine Jugendfreundin heiratet und zwei Kinder bekommt, „ich bin nicht schwul.“ Und Jack, der ebenfalls Familienvater wird, antwortet: „Ich auch nicht.“
Es ist ihnen einfach passiert. Wie sie über zwei Jahrzehnte leidenschaftlich mit ihren Gefühlen ringen, sich heimlich treffen, lieben, streiten und nie vergessen können, ist so wahrhaftig und wunderschön gedreht, mutig und nuanciert gespielt, daß ergriffen sein wird, der ein Herz hat. Letztlich ist es eine universelle Lovestory.