Bruce Springsteen: The Ties That Bind: The River Collection (Kritik & Stream) - Rolling Stone






Bruce Springsteen The Ties That Bind: The River Collection


Columbia/Sony


von

„The River“ ist unter den Alben von Bruce Spring­steen immer dieser wankende Riese geblieben. Zu lang. Zu verstreut. Zu groß. 1979 hatte Springsteen die fertige Platte „The Ties That Bind“ mit zehn Songs nicht veröffentlicht, denn sie war ihm nicht groß genug. Er schrieb noch mehr Songs. Und noch mehr. Er wollte „joy“ und „fun“ seiner Konzerte ergänzen, womit Stücke wie „Cadillac Ranch“, „Ramrod“, „I’m A Rocker“ und „Crush On You“ gemeint sind: Der Rock’n’Roll sei immer eine enthusiastische Angelegenheit gewesen, sagte Springsteen später, der größte Spaß, den man in angezogenem Zustand haben kann – aber er erzählte immer auch von Einsamkeit, Angst und Melancholie.

Und das ist die Ambivalenz von „The River“. Dreieinhalb Jahrzehnte lang kursierten Bootlegs mit Aufnahmen, oft Skizzen und Proben, die eine Ahnung davon vermittelten, was hätte sein können. Einige Songs wurden später auf „Tracks“ veröffentlicht, manche als B-Seiten, einige bekam Gary U.S. Bonds, ein Lied schenkte Springsteen dem Freund Warren Zevon, „Hungry Heart“ hatte er für die Ra­mones vorgesehen, bevor Jon Landau ihm in den Arm fiel. Jetzt kann man „The Ties That Bind“ hören, wie es konzipiert war – mit „Cindy“, „Be True“ und „Loose Ends“ und einer atemnehmenden Fassung von „Stolen Car“ mit Danny Federicis Akkordeon. Auf „The River“ ist „Stolen Car“ ein gespenstischer kleiner Song – auf „The Ties That Bind“ ist er ein Epos.

Es ist ein kleineres und ein besseres Album als „The River“, und es ist eine Platte der frühen 60er-Jahre, als Springsteen die Songs von Del Shannon, Dion und den Searchers hörte, sie ist ganz Glockenspiel, Bravado und Sehnsucht. Die ursprüngliche Version von „You Can Look (But You Better Not Touch)“ ist reiner Rockabilly. Unter den Outtakes sind weitere Songs, die jedes Album geschmückt hätten.

Thom Zimnys Dokumentation zeigt Bruce Springsteen als Historio­grafen und Exegeten seiner selbst, als einen Mann, der nicht vergessen kann, die behagliche Garage als pittoresker Hintergrund. Und dann sieht man das Konzert in Tempe/Arizona am 5. November 1980, einen Tag nachdem Ronald Reagan zum Präsidenten gewählt wurde. Springsteen explodiert, wie er immer explodiert, und die Musiker der E Street Band sind die ties that bind. Der zweite Song ist „Prove It All Night“: Darin liegen joy und fun und Einsamkeit und Melancholie und Verzweiflung und Überlebenswillen. Eine junge Frau springt auf die Bühne und taumelt wie hypnotisiert auf Springsteen zu, er gibt ihr einen Kuss, sie wird in die Kulissen geschoben, aber dann ist sie wieder da. „Persistent!“, ruft Springsteen amüsiert, mit dieser heiseren, giggelnden Stimme. Put on your best dress, baby. Meet me out in the street.


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