Bulworth von Warren Beatty :: ab 24. Juni
Der salbungsvollste Akt bei der Vergabe der AnnualAcademy Awards ist immer, wenn Hollywood einen aus seiner Mitte fiir dessen lijetime achievemetU ehrt Als Elia Kazan, gestützt von Robert De Niro und Martin Scorsese, in diesem Jahr jenen Ehren-Oscar erhalten hat, war der wohlfeile Konsens dieser bräsigen Familienfeier aber kurz ohne Gültigkeit Die Hälfte des Auditoriums verharrte demonstrativ auf ihren Plätzen. Steven „Sankt“ Spielberg klatschte mit opportuner Beiläufigkeit Der erste, der sofort aufsprang und applaudierte, war Warren Beatty. Beatty verdankt Kazan seine erste Kinorolle, 1961 in „Fieber im Blut“. Neun Jahre zuvor hatte der Regisseur von Dramen des sozialen Realismus wie „Endstation Sehnsucht“ oder des Revolutions-Epos‘ „Viva Zapata“ als „freundlicher Zeuge“ vor dem House ofUnamericanActivities Kollegen als Kommunisten angeschwärzt. Für diese bedeutete das praktisch Berufsverbot -während Kazan 1954 „Die Faust im Nacken“ drehte, worin Marion Brando sich als Unbeugsamer im Clinch mit Gewerkschaftern und Gangstern Blessuren zuzieht Der Film wurde mit acht Oscars prämiert Lohn für einen treuen Diener oder Kampf im System? Als Idealist hat Beatty seine Visionen ebenso direkt wie schlitzohrig verfolgt Anfang 1967 rutschte er auf den Knien vor dem Filmmogul Jack Warner, der ihm mal gedroht hatte, „you’U never work in diis town again“, und erbettelte sich von dem genervten „Colonel“ das Budget für einen „great gangster movie as a homage to the Warner films of the ’30s“. „Bonnie und Qyde“ löste dann eine Kino-Revolution aus. Für sein Melodram „Reds“ über einen bolschewistischen US-Journalisten, der seiner Überzeugung trotz Desillusion treu blieb, erhielt er einen Regie-Oscar. Dennoch ist Beatty ein maverick im Studiosystem. Auch ächtet er niemanden dafür, dem Terror McCarthys erlegen zu sein, während der Reaktionär Ronald Reagan fürs FBI schnüffelte, Präsident der Film Actors Guild wurde und dann der Vereinigten Staaten. Rappin‘ with WARREN B(EATTY): Eine radikale Satire gegen jegliche Political Correctness NEU IM KINO LeinwandVon der Heuchelei Hollywoods zu Washingtons Wahlkampfverlogenheit war es ja noch nie weit Der von Beatty gespielte Senator Jay Billington Bulworth bangt um seine Wiederwahl, weil die von Lobbyisten finanzierte, konservative Kampagne des einstigen Liberalen nicht verfangt. Yon seiner Frau betrogen und der Tochter ignoriert, treibt es ihn Tränen des Selbstekels in die Augen, wenn er sich in TV-Spots über Familienwerte salbadern hört – und er beschließt seinen Ausstieg: Er heuert einen Killer an, der ihn vor der Wahl erschießen soll. Doch während er auf den erlösenden Schuß lauert, bricht er befreit mit allen politischen Taktiken und jeder politicalcorrectness. „Zum Entsetzen seines Assistenten (Oliver Platt) erklärt er einer afroamerikanischen Gemeinde, sie müsse endlich selbst ihren Arsch hochkriegen, weil sie von weißen Politikern wie ihm keine Hilfe zu erwarten hätte. Er macht eine junge Schwarze (Halle Bery) zur Beraterin, tanzt mit ihr in einem HipHop-Club die Nacht durch – und brüskiert zugekifft einflußreiche Gönner, indem er sie rappend als korrupte Ausbeuter beschimpft. Rappin ‚with Warren B, das ist ein sarkastischer Seiltanz ohne Sicherheitsleine. Alspublic enemy mit explicit tyrics eignet Beatty sich den Rap an im Sinne von Protestsongs. Seine Satire, die zuweilen den Klamauk schrammt, ist eine wehmütige Besinnung auf Ideale der späten Sechziger und frühen Siebziger und die radikale Bestandaufnahme einer Nation, die ein bigottes Bohei um einen Blow-Job macht „Capitol City here we come , heißt es in John Fords Western „The Man Who Shot Liberty Valance“ (1961), einem bitteren Lehrstück über Recht, Aufrichtigkeit und Demokratie. Bei Beatty hängt am Capitol das Schild „Do not enter“. Heikel nennt er Hollywoods Buchhalter „big jews. You must be doing it for the money. You turn everything to crap.“ Daß Warren Beattys Drehbuch da noch für den Oscar nominiert war, ist die beste Pointe, oliver hottmann