Burial – Untrue :: Der Londoner Dubstep-Künstler will uns was erzählen

Irgendwo in England steht ein großer schwarzer Topf, in den vor Äonen von Jahren mal Reggae reingefallen ist, danach Moos, Brocken und Baumstämme, ein schweres Gewicht

von oben, wie bei der Erdöl-Entstehung. Unten ist ein kleiner Förderhahn, und alle paar Jahre halten ein paar Leute ihre Drinks drunter, drehen ein bisschen auf, dann passiert was. TripHop, Drum’n’Bass, UK Garage. Mindestens die Hälfte von dem, was seit dem Neunzigerwende-Rave-Bums in der Clubmusik noch die Bezeichnung „Trend“ wert war.

Deshalb müssen wir Dubstep nicht erklären. Die, die es jetzt noch nicht wissen, können sich unmöglich je dafür interessiert haben. Und die, die zur Nachbildung zum Beispiel die zwei exzellenten „Box Of Dub“-Compilations von Soul Jazz Records anhören, werden den allerorts hochgelobten Londoner Burial vielleicht nicht mal für einen besonders typischen Dubstep-Künstler halten—weil seine Musik oh so weich und traurig ist.

weil seine zweite Platte, noch mehr als die erste, so wirkt, als wolle er uns was erzählen. Obwohl er nicht mal seinen Namen verrät und in einem interessanten Anonym-Interview mit dem Labelchef sagt, Underground-Musik solle immer mit dem Rücken zum Publikum stehen, schlecht lesbarbleiben, wie ein Licht aus der Ferne.

Wie „Untrue“ klingt? Als ob ein philosophiebegabter B-Boy mit einem Soundsystem auf dem Gepäckträger in stockdunkler Nacht an einem Friedhof vorbeiradelt, auf dem nur Soulsänger liegen. Als ob sich der Sound unter dem Klackern und Scherenhände-Scheren der Beats ständig wie Knete verformen würde: die weitschwingenden Bässe, Geisterstimmen und Kometenschweife. Als Chill-out kann man das kaum verwenden, obwohl aus feinen Löchern der Dope-Rauch kreiselt —- weil Burial seine Um-die-fünf-Minuten-Stücke schief aufreißt, weil die Teile sich gegenseitig anzuziehen und abzustoßen und aus dem Rhythmus zu bringen scheinen. Kunst.

Strikten Song-Fans wird das langweilig werden. Trotzdem läuft die Platte natürlich allerhöchste Gefahr, zur offiziellen Lieblingsmusik des nächsten Kommunikationsdesign-Examensjahrgangs zu werden. Dass sie mit ihrer Lieblichkeit dazu einlädt, ist auch das Einzige, was man ihr vorwerfen kann. Heimlich, einsam und laut hören!

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