Burt Bacharach Anyone Who Had A Heart :: Die Welt ist voller Burt-Bacharach-Songs. Und sie wäre auch deutlich freudloser ohne. 137 versammelt diese Box auf sechs CDs; es gibt sie auch in der Volksausgabe als Doppel-CD mit 40 Tracks, aber wer will schon in einer halbvollen Wanne liegen? Bis in die 80er-Jahre galt das mit dem empörend falschen Label „Easy Listening“ versehene Werk des amerikanischen Songwriters, Komponisten und Arrangeurs als „Fahrstuhlmusik“(auch so ein Ausdruck, den Hippie-Eltern erfunden haben, so wie deren Eltern wiederum „Negermusik“). Nun, Bacharach ist längst kanonisiert, und heute will ihn jeder schon immer geschätzt haben.
Die ersten drei CDs überfluten uns mit elegantester Popmusik, mit unsterblichen Songs und Melodien, mit Interpreten wie Dusty Springfield, Gene Vincent, Frankie Avalon, Barbra Streisand, Walker Brothers, natürlich Dionne Warwick, Aretha Franklin, Diana Ross und so weiter, mit Monumenten wie „I Say A Little Prayer“ und „What The World Needs Now Is Love“, aber auch mit weniger bekannten Tracks wie dem herrlichen Filmsong „After The Fox“, das die Hollies mit Peter Sellers intonieren, oder Brook Bentons Version von „A House Is Not A Home“. Die besten Tracks stammen aus Bacharachs goldenen Jahren Mitte der 60er-bis Anfang der 70er-Jahre; auf der vierten CD, die vor allem die 80er-und 90er-Jahre dokumentiert, wird es dünner, was nicht nur am Synclavier und Patti Labelle liegt. Die Zusammenarbeit mit Elvis Costello führte noch zu schönen Resultaten -mit Rufus Wainwright, Jamie Cullum und Ronan Keating wird es dann seicht, seifig und etwas beliebig.
Wunderbar ist die fünfte CD, auf der Bacharach seine Songs selbst interpretiert. Das Fingerschnippen und Segelschuhwippen, die Stilsicherheit, der anscheinend mühelose Umgang mit Orchester und Latin-Rhythmen, die gestopften Trompeten! Da ist er ganz bei sich. Und jeder noch so fröhlich hüpfenden Melodie wohnt ein Hauch Melancholie inne. Alles, was hier begeistert, geht auf der sechsten und letzten CD schief: Bacharach und Jazz, das klappt nicht so oft. „Ich fürchte, meine Musik ist ein bisschen zu restriktiv für Jazzmusiker“, sagte Bacharach mal in einem Interview. Seine Melodien sind nicht von ihren Arrangements zu trennen, die den Songs bereits eingeschrieben sind. Deswegen funktioniert es nicht, wenn Wes Montgomery „What The World Needs Now“ nachspielt oder Ramsey Lewis „Do You Know The Way To San José“, es kommt bloß Bargeklimper dabei raus. Einzig Sergio Mendes kriegt das Problem in den Griff: Seine Version von „The Look Of Love“ gibt dem Song etwas, was das ein Jahr zuvor veröffentlichte, zum Heulen schöne Original mit Dusty Springfield nicht hatte: einen stringenten, unwiderstehlichen Rhythmus. Besser wird er dadurch nicht. Denn perfekt war er vorher schon. (Universal) SEBASTIAN ZABEL