Bush – Razorblade Suitcase

Zur Zeit kann man Gitarren-Bands, die in England mit etwas anderem als Brit-Pop Gehör finden wollen, nur viel Glück wünschen. Sie können es brauchen. Spätestens seit dem Auftritt von Oasis in Knebworth ist ziemlich klar, wer hier der Herr im Hause ist: Brit-Pop hat sich als kulturelle Hegemonialmacht etabliert und bestimmt vorläufig die Regeln. Zuwiderhandlungen werden mit Ignoranz bestraft. Was kann ein poor boy da schon anderes tun, als in einer Brit-Pop-Band zu singen?

Die Position des Propheten im eigenen Land ist also wieder mal übel. Da kann auch schon mal ein brennender Dornbusch übersehen werden. Bush kommen aus London. Gäbe man ihre Platte aber zehn unabhängigen Experten zur Beurteilung, würden neun davon schwören, daß sie aus Seattle o. ä. stammten. Wenn es partout ein Etikett geben soll, dann müßte es irgendwas mit Grunge sein. Kein Wunder, daß ihre Karriere bis jetzt hauptsächlich in Amerika stattfand: Das Debüt-Album „Sixteen Stone“ hielt sich lange in den dortigen Top 20, auf der letzten (Ochsen-)Tour durch die USA gaben die Engländer 230 Konzerte.

Daran sieht man schon, daß Bush eine Band ist, die sich nicht schont und die keine Grenzen kennt. Natürlich ist „Razorblade Suitcase“ Post-Grunge. Also eine Kriegserklärung, nachdem der Krieg schon verloren ist. Die Songs transportieren die bei vielen anderen Bands nur herbeiphantasierte wutwilde Energie: Sie brüllen und schlagen um sich, sie greinen und giften, sie stehen nicht still und kommen nicht voran. Aber das ist nicht alles. Steve Albini hat als Produzent außerdem für ein hohes Maß an Verfeinerung gesorgt. Er weiß, daß Gitarrensaiten Nervenstränge sein können. Bush erinnern in vielem an Albinis Band Shellac, die im Sommer hiesige Bühnen wegblies; aber sie sind nicht so roh, nicht so brutal. Sie haben studiert bei großen Gelehrten für Dynamik, etwa Prof. Dr. Black Francis oder den Mitgliedern des Sonic-Youth-Instituts.

Wunderbare Geräusche aus dem Verstärker. Elektrisches Flirren. Aber auch verzweifelt schöne Songs. Es gibt nicht nur Brit-Pop in Britannien. Nein. Da ist was im Bush. Mußte ja kommen.