Chip Taylor – Angels & Gamblers: Best Of 1971-1979 :: Compilation mit Stücken des unterschätzen Songschreibers
Wenn Taylor, dann Hound Dog, Johnnie oder Otis. Auch James und Mick dürften viele kennen, Chip Taylor eher wenige. Wohlgemerkt den Namen, nicht seine Songs. Mit dem von ihm geschriebenen „Wild Thing“ startete die Karriere der Troggs bekanntlich richtig durch, und was Jimi Hendrix am Ende seines Sets auf dem Monterey Pop Festival anderthalb Jahre später in einem Anfall von Pyromanie daraus machte, ist auch bestens dokumentiert. Wieder ein Jahr später hatte Merrillee Rush mit seinem „Angel Of The Morning“ ihren ersten und einzigen großen Hit, Platz 7 für sie. Noch weiter brachte es damit 1981 Juice Newton: Platz 4 der Hitparade mit dem Song war der solide Grundstein ihrer Karriere.
Für Ohrwürmer wie die folgenden „Queen Of Hearts“ und „Love’s Been A Little Bit Hard On Me“ hatte sie ja eine Weile zumindest ein untrügliches Gespür. 1969 hatte es Janis Joplin für richtig gehalten, ihre erste Solo-LP mit dem von Chip Taylor und Jerry Ragavoy komponierten „Try (Just A Little Bit Härder)“ zu beginnen. Genauso erfolgreich wie die Troggs waren einige Monate zuvor schon die Hollies gewesen, ebenfalls Platz 2 der englischen Hitparade mit „I Can’t Let Go“.
Bei irgendeinem Musikverlag im Bull Building mochte der junge Mann aus Yonkers, NY, trotzdem nicht als Lohnschreiber anheuern. Während es sein älterer Bruder Jon Voight (Taylors bürgerlicher Name ist John Wesley Voight) als „Midnight Cowboy“ zu Weltruhm brachte, reichte es ihm zunächst, wenn Interpreten seiner Lieder berühmt wurden. Jahrgang 1940 und damit ein Jahr jünger als der Kollege Dion DiMucci aus der Bronx, war seine musikalische Sozialisation eine ganz ähnliche. Die in seiner turnte upper middle dass eigentlich verpönten race records faszinierten den Teenager genauso wie die mit vielen Kilowatt Leistung sendenden Country-Stationen viel weiter südlich. Pop, Doo Wop und Rhythm & Blues, vor allem aber auch Blues waren sehr nahrhafte tägliche musikalische Kost. Und nichts an Rockabilly fand er in den wenigen Jahren, die das Genre tatsächlich groß in Mode war, befremdlich.
Dass er später ganz locker auch Songs schrieb, die Waylon Jennings und Anne Murray in die Top Ten der Country-Hitparade brachten, hat mit diesem ziemlich umfassenden und so überhaupt nicht monokulturell geprägten Verständnis von populärer Musik zu tun. Von jemandem, der einen Garagen-Klassiker wie „Wild Thing“ schrieb, würde normalerweise kaum jemand Country-Liedgut wie „Sweet Dream Woman“ oder „Son Of A Rotten Gambler“
Apropos gambler: Nebenbei verdiente sich Chip Taylor immer schon ein kleines Zubrot durch professionelle Wetten. Er hatte für Siegertypen bei Pferderennen ein so untrügliches Gefühl, dass sogar Gangsterboss Meyer Lanski sich von ihm Tipps holte und sehr erfolgreich große Summen setzte. Wenn ihm jemand damals prophezeit hätte, dass er Jahrzehnte später mit Bill Frisell, Greg Leisz, Buddy Miller und seiner Muse Carrie Rodriguez auf der Ruhr-Triennale als Galionsfigur der Alt/Country-Americana-Bewegung gefeierte werden würde, hätte er den vermutlich für verrückt erklärt.
Seine Plattenkarriere war viele Jahre eine extrem holprige gewesen. Die ersten Singles für Warner Bros, ab 1962 waren so katastrophale Flops, dass er entsprechende Pläne für längere Zeit ad acta legte. Als er dieselbe mit seinem langjährigen Partner Al Gorgoni (der auch Arrangeur und Produzent) mit zwei LPs für Buddah Records wieder aufnahm, rekapitulierten die beiden damit auch ihre Singer/Songwriter-Jahre mit Aufnahmen der Hits für andere, dabei gelegentlich an Kollegen wie Jimmy Webb, Crosby Stills fe? Nash und Neil Diamond erinnernd.
Der Wechsel zurück zu Warner Bros, und gänzlich ins Country-Fach war schon insofern mehr als überraschend, als die Firma überhaupt keine große Tradition als Country- Label vorzuweisen hatte. Mit den drei Country-LPs, die Taylor für die Firma aufnahm, hatte sie genauso wenig Glück. Aus seiner Bewunderung für Merle Haggard und Johnny Cash machte er dort keinen Hehl, aber typisch Country, geschweige denn typisch Nashville war das nicht, wie er seine Songs arrangierte und produzierte. „I Read It In Rolling Stone“ war eine kleine Verbeugung in Richtung Shel Silverstein.
Manche Songs – auch spätere für die beiden Columbia-LPs – erinnern übrigens stark an einschlägige Alben etwa von Tom T. Hall und Kris Kristofferson. Wobei Chip Taylor in manche der damaligen Platten und Songs eine in dem Genre durchaus nicht übliche Ironie einbrachte — und „Somebody Shoot Out The Jukebox“ oder „Funny Songs“ ganz sicher nicht das Zeug zu klassischen Country-Heulern oder gar irgendein Hit-Potenzial hatten.
Danach verdiente Taylor sein Geld für eine Weile lieber wieder als professioneller Zocker, um erst 1997 abermals der Berufung des Songschreibers nachzugehen.