Chuck Prophet :: Temple Beautiful

Nuancenreiche, unsentimentale Hommage an San Francisco

Mark Eitzel, der andere Individualist aus San Francisco, hat sie schon im Katalog. Von Chuck Prophet war sie überfällig: die Hommage an seine Wahlheimat, die dem eher unbedarften College-Kid aus Whittier, Kalifornien vor 30 Jahren „irgendwie die Augen öffnete“, wie er jetzt sagt. „Temple Beautiful“ ächzt freilich nie unter einer Konzept-Bürde, funkelt und rumpelt vielmehr als lässiger, staunender Streifzug an der Schnittstelle von Mythos und Mumpitz, Fakt und Fiktion, durch „a city full of lovers trying hard to make believe“, wie es in „Play That Song Again“ heißt.

Mit gewohnt nasalem Timbre taucht Prophet auch tief in die Historie der Stadt. Wir geleiten den exzentrischen Lokalhelden Emperor Norton ins Sterbejahr 1880, stranden streicherumweht im „Museum Of Broken Hearts“, stehen am Abschlag mit einer Baseball-Legende (im 16tel-Swinger „Willie Mays Is Up At Bat“) und marschieren im bläserforcierten Power-Pop-Rausch in den „Temple Beautiful“ des späteren Massen-(Selbst-)Mörders Jim Jones. Auch musikalisch erlaubt sich Prophet mal zwei Gramm Nostalgie, mit den Fifties-Referenzen von „Little Girl, Little Boy“ (als Zweitstimme Gattin Stephanie Finch) und „White Night, Big City“.

Doch bleiben Augen (und Ohren) stets offen für das, was (San Francisco) geworden ist. Für den hookseligen Abgesang auf eine entglittene Schwulenparade („Castro Halloween“), für eine seltsam erhebende Begegnung in einem Bar-Hinterzimmer („I Felt Like Jesus“), für den mysteriösen Flüsterer aus der Ferne („He Came From So Far Away“) und die Crime-Saga „Who Shot John“. Dabei entfaltet das Album durchweg einen unmittelbaren Garagen-Appeal, der dann immer mehr Nuancen freisetzt. Wie dieses Toy-Piano (oder doch ein Xylofon?), das den Twang von „I Felt Like Jesus“ umspielt. Apropos: Natürlich spielt Prophet seine Telecaster immer noch wie ein im Gitarren-Himmel gezeugter Bastard aus James Burton und Richard Thompson – und hat, wenn’s richtig brennen soll, auch mal flugs eine Twin-Attacke à la Lizzy in den Händen. Auch längst überfällig also: Mehr Ruhm für Chuck Prophet! Ein bisschen zumindest. (Yep Roc/Cargo) Jörg Feyer

Beste Songs: „Castro Halloween“, „He Came From So Far Away“

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