Cinerama – Va Va Voom
Er kann’s! David Gedge kann singen. Um das zu erfahren, mußten wir zwölf Jahre lang Platten von ihm und The Wedding Present durchhören! Und zwar nicht wenige für jemanden, der – während der C86-Tage in London – behauptete, nach drei Singles wieder von der Bildfläche verschwinden zu wollen. Daß das nicht geschah, hatte natürlich durchaus Vorteile. „George Best“ wäre beispielsweise sonst nicht erschienen, die Widmung an den nordirischen Mario Basler der 70er Jahre, heute das britische Gegenstück zu Günter Netzer.
Nicht nur wir brauchten eine Pause vom typischen ruppigen Gitarrenanschläg und „angst-ridden“ Geraune, sondern auch Gedge selber. Irgendwer muß ihm von der Leichtigkeit des Seins erzählt haben. Man sagt, er trägt jetzt sogar grüne Anzüge und rosa Hemden statt schlichtem Schwarz passend zum bunten Cover. In denen tänzelt er leichtfußig um seinen Mikroständer herum, um dann beim Singen den Kopf auf die Seite zu legen. Auf dem rosa Hemd steht unmißverständlich , ,Pop Culture“.
Geplant war die Zusammenarbeit mit seiner Partnerin Sally Murrell (die auch den „Weddoes“-Fandub betreut) als Heimbastelarbeit am Samplet Doch dann schneite ein Flötist herein, dann kam der zweite Musiker dazu und der dritte (Gitarrist Marty Willson-Piper kennt man etwa von The Church und All About Eve)… Schon hatte Gedge eine komplette Band am Start, und mit dem Anspruch, Soundtrack-Variationen zu kreieren, war’s vorbei. Zwar muten die Streicher mitunter durchaus cineastisch an – von John Barry und Burt Bacharach sollten wir an dieser Stelle aber lieber nicht sprechen. Statt dessen von Divine Comedy, den verflossenen Brilliant Corners, vom Jazz Butcher (in seinen wenigen Pubrockfreien Momenten) oder von New Order light Ein „reifes Alterswerk“ klingt anders – Gedge scheint eine zweiwöchige Jungbrunnen-Schlafkur unternommen zu haben. Seine ganze Liebe schüttet Gedge übrigens (außer in „Ears“, dem Duett mit Delgados-Sängerin Emma Pollock) ausgerechnet in einen Song namens „Hate“. Wirklich hassend bearbeitet man allerdings sein Vibraphon etwas anders!
David Gedge mag sich am Anfang ein anderes Ziel gesteckt haben – eine Pop-Streicheleinheit wie diese macht ihm jedoch so schnell niemand nach (Schlafkuren kann sich eh niemand leisten). Daß der alte Pessimist so farbenfroh und dazu uneitel (Cinerama!) zu Werke geht, ist eine sehr seltene Erscheinung im britischen Ego-Geschäft. Jetzt dran freuen! Bevor es mit dem Geraune wieder losgeht. 4,0