Culture Club – Don’t Mind If I Do :: Pseudo-Salsa, Plastik-Reggae und „Starman“- Hauptsadie Exaltation

Das Dilemma des Albums lässt sich an den fünf Minuten der völlig überkandidelten Version von Bowies Sci-Fi-Lullaby „Starman“ ablesen. So weit gezielt – so kurz gefallen. Seit Culture Club keine Band mehr ist, sondern bloß noch Vehikel für den Selbstdarsteller Boy George, fehlt das musikalische Gewissen und offenbar überhaupt jedes Korrektiv. Das Singen hat Britanniens meistbemitleidete Society-Praline nicht verlernt, doch sucht sie sich ihre Berater inzwischen dort, wo Boy halt kulturell zu Hause ist. Im schillernden, selbstgefälligen Küsschen-Küsschen-Milieu der Londoner Schwülen-Hautevolee. Man liebt Exaltation und Kitsch, missachtet das Diktat des guten Geschmacks und pfeift auf die Tyrannei der Schönheit. Das banausig-billige Outro von „Starman“ dürfte für viel Schenkelklopfen sorgen. Zum Kichern krass. Und ein zweites Mal muss kein Party-Pinsel dasselbe Stück hören.

So ist die ganze Platte. Eine Bonbonniere, die Süß- und Farbstoffe garantiert synthetisch. Das gilt insbesondere für das Jamaika-Aroma, das bei fast allen Cuts einen schalen Nachgeschmack hinterlässt. Patois! Synkopen! Tbasting! Überall! „Take a piece of dignity and use it in your life“, rät Boy George im Opener „I Just Wanna Be Loved“ und hält sich selbst nur ausnahmsweise daran.

In „Cold Shoulder“ etwa, einer aalglatten, aber umso eingängigeren SoftSoul-Ballade. Oder im Philly-versäuselten „Sign Language“, das immerhin Georges beträchtliches Sangestalent zur Geltung bringt. Dazwischen freilich macht sich so viel Pseudo-Salsa breit, so viel Plastik-Reggae, so viele stilistische Hanswurstiaden, dass man vor lauter Gähnen und Stöhnen fast die beiden genuinen Höhepunkte überhört „Fat Cat“ wuchert mit Morrissey-Melodie und Selbsterkenntnis: ,4 admit to being stränge.“ Gut auch der epische Closing Track „Less Than Perfect“, schon weil die Fregatte hier alle Segel setzt und endlich Wasser unter den Rumpf kriegt. Der Rest dümpelt in denselben seichten Gewässern, wo schon George Michael und Elton John vor Anker gegangen sind.

Pfützen. 1,5

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