Damien Rice :: 9

„Ich musste diese Lieder machen“, sagt er, ganz im Ernst. Und das zweite Album nennt er „9“, ohne rot zu werden. Ist der so hochgelobte Songwriter aus Kildare doch ein Pop-Simpel oder gar einer der „Profis“, die zwanghaft originell tun? War das famose Debüt „0“ etwa ein Ausrutscher? Nein. Rice verbirgt bloß einfache künstlerische Absichten nicht hinter Wort-Kulissen. Das irritiert, auch das muss man sich trauen.

Es war dem Iren ein Anliegen, seine Hörer auf eine Achterbahntour durch die alltäglichen, wilden Emotionen mitzunehmen. Mit Gänsehaut zum schleppenden Beginn, wenn die Fahrt in den Abgrund nur Vorahnung ist. Mit vor Grauen geweiteten Augen, wenn die Welt auf dem Kopf steht. Und mit dem flauen Gefühl im Magen, wenn am Schluss alles wieder zum Stillstandkommt. Schon der Opener „9 Crimes“ ist so ein Minidrama, das die Kehle eng macht. Zögerliche Klaviertöne am Anfang, als gäbe es Angst vor dem Danach. Die bittere Forderung von Lisa Hannigan: „Leave me out with this waste“. Zu Tode erschöpft, wie Arnos auf Prozak. Wir hören zermürbende Streitereien und seelische Katastrophen mit, die vorausgegangen sein mögen. Er antwortet mit ähnlichen Formulierungen. Nichts ist geklärt, alles ist offen, es ist die Ruhe vor einem weiteren Sturm. „Accidental Babies“ zeigt die nächste Phase einer gescheiterten Beziehung. „Do you brush your teeth before you kiss, do you miss my smell, is he bold enough to take you warm?“, ruft ihr der Verlassene hinterher, deprimiert, verletzt, aber ohne Hass.

Zehn Nummern zum Nachfühlen und Mitleiden sind das geworden, und der Kloß im Hals hat keinen faden Beigeschmack. Dass Damien hier meistens auf die bewährte Dramaturgie von „O“ zurückgreift, folkige Piano- oder Akustikgitarren-Töne nach und nach mit soften Drums und schwellenden Streichern zu wuchtigen Lamentos orchestriert, darf nicht als Minus gewertet werden. Weil es der Realität abgelauscht ist, weil sich alles organisch entwickelt, und weil Rice das so facettenreich vorträgt. Er raunt, wispert und klagt, er steigert sich mit makelloser Kopfstimme in gefühlvolle Ekstase. Er bewegt sich nur in den Texturen von Nick Drake und Jeff Buckley, von Conor Oberst, David Grey und Thom Yorke. Aber mit welch begnadeter Souveränität. (14TH FLOOR/ WARNER)

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