Das finstere Tal :: Regie: Andreas Prochaska

Der Brenner-Bauer hat sechs Söhne, eine Fresse fieser als die andere. Die Brüder üben in der Dorf­gemeinschaft das Machtmonopol des Alten aus, der sich nur noch aus seinem Bett erhebt, wenn ein Todesurteil zu fällen ist. Als ein wortkarger Fremder in das Tal einreitet, stehen sie bereits Spalier. Greider, so heißt der Alpen-Cowboy, kommt kurz vor Wintereinbruch in dem entlegenen Bergdorf an. Er hat zwar keinen Sarg im Schlepptau wie sein entferntes Vorbild Django, aber dass Greider extra aus Texas in diese unwirtliche Gegend gekommen ist, um die malerische Bergkulisse und seine wettergegerbten Bewohner zu fotografie-

ren, nimmt ihm die misstrauische Sippschaft nicht ab. Sie fordern als Gegenleistung für ihre Gastfreundschaft ein Goldstück und quartieren ihn in der Hütte der Witwe Gader und ihrer Tochter Luzi ein. Kurz darauf hält der Winter Einzug und schneidet das Tal von der Außenwelt ab. Die Brenners sitzen in der Falle.

Andreas Prochaskas Alpenwestern „Das finstere Tal“ startete im Februar in den Kinos und ging dort sang- und klanglos unter. Ein weiteres Indiz dafür, dass der deutschsprachige Film noch immer ein Problem mit gut gemachtem Genrekino hat. Der ehemalige Schnittassistent von Michael Haneke hatte bereits mit „In 3 Tagen bist du tot“ den bemerkenswerten Versuch eines genuin österreichischen Horrorfilms vorgelegt. Mit der Bestseller-Verfilmung „Das finstere Tal“ hat er sich jetzt einem Ur-Genre des Kinos angenommen, vielmehr dessen dreckigem Bastard: dem Italo-Western. Prochaska orientiert sich dabei eher an Corbucci als an Leone. Der elegische Grundton von Leones Pferdeopern geht „ Das finstere Tal“ vollkommen ab. Hehre Motive hat keine der Figuren. Die Moral reicht nicht weiter als der Ausblick, der von den Bergmassiven begrenzt wird.

Mit Greider kehrt die verdrängte Vergangenheit in das Dorf zurück – und die Zukunft. Wie ein Magier begegnet der Reisende den abergläubischen Bergbauern. Seine Fotografien halten den Moment für die Ewigkeit fest, sagt ein Dorfältester. Aber die Nachwelt interessiert Greider nicht, er hat eine Rechnung zu begleichen. Noch ein anderes Mitbringsel zeichnet ihn als Vertreter einer neuen Zeit aus: Sein Repetiergewehr, das er nach der Ankunft im Kuhstall der Gader-Witwe versteckt, ist den Waffen seiner Kontrahenten technisch weit überlegen. Der Film nimmt sich viel Zeit, die Allianzen innerhalb der Gemeinschaft zu erkunden. Als Brenners jüngster Sohn bei Waldarbeiten ums Leben kommt, beginnt der Familienpatriarch zu ahnen, dass die Anwesenheit des Amerikaners kein Zufall ist. Offen zutage treten die Gewaltverhältnisse bei der Hochzeit Luzis. Brenner herrscht über die verarmte Dorfbevölkerung mit dem „Recht der ersten Nacht“. Als sich seine geifernden Söhne des frisch verheirateten Mädchens bemächtigen, ist für Greider der Zeitpunkt gekommen, sein Gewehr aus dem Stall hervorzuholen.

Prochaska hat den Heimatroman von Thomas Willmann konsequent entkernt und auf ein archaisches Rachedrama vor imposanter Naturkulisse reduziert. Die Referenzen zu Corbuccis Schnee-Western „ Leichen pflastern seinen Weg“ sind offensichtlich, es geht ihm aber im Gegensatz zu Tarantino nicht um einen postmodernen Genre-Pastiche. „Das finstere Tal“ bleibt bis zum humorlosen Showdown auf der Almhütte dem filmischen Naturalismus treu. Sam Riley, der sich seit seiner Ian-Curtis-Rolle in „Control“ eine hübsche Kantigkeit zugelegt hat, erinnert tatsächlich ein wenig an Jean-Louis Trintignant, wenn er am Schluss blutend im dreckigen Schnee liegt. Tobias Moretti als Anführer der Brenner-Posse gibt einen würdigen Gegenspieler ab.

Vorbildlich setzt Prochaska auch die Berglandschaft Südtirols in Szene. Die physische Gewalt des Films findet visuell Ausdruck in den schroffen Klüften und drohenden Hängen, die Kameratotalen beschwören ein Gefühl bedrückender Enge herauf. „Das finstere Tal“ ist der überzeugende Gegenbeweis zur weit verbreiteten These, dass der Western ein amerikanisches Genre sei. Das hat die Jury des Deutschen Filmpreises ähnlich gesehen, wo der Film in diesem Jahr in allen wichtigen Kategorien abräumte. Den Western wird das zwar nicht wiederbeleben. Aber er verschafft ihm wenigstens eine (späte) Gerechtigkeit. (Warner)

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