Das Kabinett des Dr. Parnassus :: Requiem für einen Traum/Start: 7.1.

Wie die Genies Orson Welles und Stanley Kubrick gehört Terry Gilliam zu den ganz großen Verrückten unter den Regisseuren. Seine Kämpfe mit Produzenten, Budgets und anderen Widrigkeiten nehmen an Schicksalhaftigkeit längst biblische Ausmaße an. Von „Brazil“ gibt es drei Schnittfassungen, weil die klaustrophobische Satire dem Studio anfangs zu düster war. „Die Abenteuer des Baron Münchhausen“ endeten 1988 als eines der teuersten Desaster in der Geschichte Hollywoods. Seine Dreharbeiten zu „The Man Who Killed Don Quixote“ scheiterten 2000 an Geldmangel, Krankheiten, Technikproblemen und Regenstürmen. „Brothers Grimm“ wurde 2005 überschattet von ständigen Querelen mit den produzierenden Weinstein-Brüdern. Und sein letzter Film, das verstörende Drama „Tideland“, spielte 2006 weltweit nur 200000 Dollar ein. In Deutschland fand sich nicht mal ein Kinoverleih. So muss man es schon als Wunder bezeichnen, dass Gilliam für rund 30 Millionen Dollar mit „Das Kabinett des Dr. Parnassus“ seinen zehnten Film überhaupt realisieren konnte. Weniger verwunderlich ist bei seiner Katastrophenbilanz allerdings, dass die Tragik um Heath Ledger natürlich auch ihn traf: Sein Hauptdarsteller verstarb 2008 während einer Drehpause. Da der Film aber auf zwei Bewusstseinsebenen spielt und Ledgers Szenen in der realen Welt bereits beendet waren, übernahmen Johnny Depp, Jude Law und Colin Farrell nacheinander seinen Part in den Fantasiesequenzen. Für den Freundschaftsdienst verzichteten sie auf Gagen.

Damit ist Gilliams ohnehin bizarre Parabel von Tod und Teufel zum Requiem geworden, das Ledger hier erst recht wie einen Geist erscheinen lässt. Bleich, müde und ausgemergelt wirkt er – und man ist sich jetzt nicht mehr sicher, ob er nur perfekt seine Rolle spielt, diese seinen damaligen Gemütszustand spiegelt oder man sich als Zuschauer dies einbildet. Die Imagination, von der das Märchen in trister Atmosphäre und mit irrwitzig surrealen Bildern erzählt, ist dadurch jedenfalls vollkommen. Durch einen Zauberspiegel auf der Pferdekutsche von Dr. Parnassus (Christopher Plummer) können Kunden in ihre Gedankenwelt eintreten. Bei einer Wette mit dem diabolischen Zocker Mr. Nick (Tom Waits) hat er einst das ewige Leben gewonnen. Aber als er sich Jahrhunderte später verliebte, bekam er seine Sterblichkeit zurück. Bedingung: Am 16. Geburtstag seiner Tochter Valentina (Lily Cole) will Mr. Nick ihre Seele. Zum Joker wird dabei Tony (Ledger), der sein Vermögen einem Kinderhilfswerk verdankt und mit einem Strick um den Hals unter einer Brücke hängt, weil er die Russenmafia reingelegt hat.

Gilliams denkwürdige Phantasmagorie über den Preis des Seins ist eine wehmütige Ballade, die mit einem pointierten philosophischen Duell zwischen Plummer und Waits glänzt – und mit letzter Kraft versöhnlich endet.

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