Dave Gahan :: Paper Monsters

Unaufdringliche, aber intensive Reflexion einer Achterbahnfahrt

Die Wandlung des David Gahan vom talentierten Springinsfeld aus Essex zum Drogen-Wrack aus dem Hotelzimmer mit gerade noch rechtzeitigem Zug an der Reißleine ist hinreichend diskutiert und publiziert worden. Nun könnte man hinsichtlich Gahans erster Solo-LP dennoch anfangen, etwas von der „Aufarbeitung eines Dramas“ oder ähnlich gelagerter Schwere zu fantasieren. Ein Buch über den Abgrund ist Gahan ja ohnehin noch schuldig. Vielleicht reicht er es später, im Alter, noch nach.

Was also gibt es zu vermelden? Esoterisches Kriechettum vor den Schwestern der Barmherzigkeit? Ein Pistolenlauf vielleicht als Gahans Göttliche? Oder, besser noch, der Sänger endlich selbst als Gott, als ein von Niederschlag und Übermut gegerbter Grenzgänger mit einem Kranz aus Stacheldraht? Nun, zunächst einmal gibt es Gahan (gemeinsam mit Knox Chandler) erstmalig als Songwriter – und schon ahnt man obligatorisch wenig Gutes. Der Dave, dieser tätowierte Frontmann-Fex! Als Komponist! Haha!

Doch nur Hören schafft verlässliche Eindrücke, und die fallen keineswegs schlecht aus. Das mit einer ordentlichen Ladung Blues getränkte „Bottle Living“ gefallt weitaus besser als eine eher austauschbare Hingabe wie „I Need You“. Es folgen ein paar wenige aufgeladene Temporocker, etwas mehr schwelgerische Balladen, der Rest campiert irgendwo dazwischen. Höhepunkt der Platte Ist jedoch das intensive und ganz und gar großartige ,31ack And Blue Again“. Gahan warnt: „You see/ I am not very nice“ und erkennt bitter: „All my apologies have been used up.“

Das, was man gemeinhin als Single bezeichnet, ist auf dem Album nicht ausfindig zu machen. Auch wenn „Dirty Sticky Floors“ möglicherweise so gedacht war. Aber die interessante Produktion von Ken Thomas (Sigur Ros) liefert eine angemessene Kulisse für die Erzählungen des Sängers aus den Büchern der Religion und der Obsession. Den theatralischen Heroin-Blues singt Gahan dabei glücklicherweise ebenso wenig wie die das übliche Geseier auf zu späte Einsichten. Eine ehrliche, unaufdringliche und keineswegs selbstgerechte Reflexion der eigenen Achterbahnfahrt.

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