David Bowie – Heathen :: COLUMBIA/SONY MUSIC

COLUMBIA/SONY MUSIC Gleich die gute Nachricht David Bowie hat mal wieder sein bestes Album seit „Scary Monsters“ von 1980 gemacht Zum vierten Mal übrigens, nach „Black Tie White Noise“ (1993), „Outside“ (1995), „Hours…“ (1999), so sah das jeweils die zeitgenössische Kritik, die nur das Drum’n’Bass-Desaster Junihling“ ganz verschmähte. Ein kluger Leserbriefschreiber hat in dieser Zeitschrift einmal gefragt, warum es überhaupt ein Grund zur Freude sei, wenn Bowie zur Jahrtausendwende gerade mal den Anschluss an die achtziger Jahre schaffe. Alle höten noch Jkary Monsters“, die anderen Platten hört schon jetzt keiner mehr. Das ist der simple Grund, und wer das Gegenteil behauptet, muss etwas vorsingen. Der Mann, der die achtziger Jahre erfunden hatte, wurde gelöscht, als sie tatsächlich eintraten. Übrig blieb der Sänger, der mit Mick Jagger in einem „Live Aid“-Video blöd herumhampelte, der hechelnd versuchte, mit allen Technologien Schritt zu halten und als Schokoladen-Onkel den Kindern Techno zu bringen. Als er mit Nine Inch Nails tourte, gingen die Leute nach der Vbrgruppe – David Bowies größter Fehler war, dass er plötzlich Fehler machte. Natürlich wurde sein Multimedia-Projekt „Nathan Adler Diaries“ verspottet („Outside“ steht heute einsam als erstes Kapitel da), aber die Geschichte von Ziggy Stardust, den letzten fünf Jahren der Welt und dem Retter aus dem All hätte 1972 ein ebenso großer Käse werden können. Am Konzept lag es nicht, der Mann war damals einfach besser beraten, hatte bessere Partner, bessere Songs. Und er sang um sein Leben. Mal wieder das beste Album von David Bowie seit, äh, „Scary Monsters“ tonträgerBowie selbst scheinen solche nostalgischen Gedanken fremd zu sein, weil es ja immer vorwärts gehen soll. Aber „Slip Away“ von „Heathen“ ist ein nostalgisches Stück, ein großes Seufzen wie „Life On Mars?“. Die Figuren einer amerikanischen Kindersendung aus den Siebzigern beobachten das eigene Altern, das Klavier klingt wie ein Barpiano in später Nacht, Bowie spielt auf dem Stylophone, dem Mini-Keyboard aus „Space Oddity“. „Some of us will always stay behind“, singt er, „down in space it’s always 1982“. Der Tön seiner Stimme: Ironie, Mitleid und eigener Schmerz. Auf „Slow Burn“ ist es wieder das pathetische Beben, ein mächtiger Refrain im Falsett, getragen von Gaststar Pete Townshend, der die Gitarre im Tremolo heulen lässt wie Robert Fripp in „Heroes“. „Afraid“, mit einem unverängstigt himmelsstürmenden Geigen-Arrangement, singt Bowie im klaustrophobischen Tonfall des Clowns aus „Ashes To Ashes“ – dass man bei Bowie-Songs an andere Bowie-Songs denkt (dazu noch an die größten), ist gar nicht mehr selbstverständlich. Drei seiner besten Stimmlagen, drei der packendsten, stilsichersten Stücke, die er seit langem gemacht hat. Wer einen einfachen Grund dafür finden will, findet ihn: Reeves Gabreis, Bowies langjähriger Studio-Kompagnon, Tin Machine-Gitarrist und mit etwas Fantasie der Hauptverantwortliche für die Schweine-Metal-Verirrungen, hat an „Heathen“ nicht mitgewirkt. Dafür (zum ersten Mal seit -ja, „Scary Monsters“) Tony Visconti als Ko-Produzent und Musiker, der älteste, verlässlichste Freund. Auf dem luftigen „Everyone Says Hi“, das über ein elegantes Cello-Riff segelt, spielt sogar der frühere musical director Carlos Alomar. Am Klang der Platte kann man den guten Einfluss kaum festmachen, schwülstigere Stücke wie „5:15, The Angels Have Come“ und das witzlos gerockte „Cactus“ der Pixies hätten auch auf Jimtrs…“ gepasst. Es ist der Gesamteindruck: Bowie presst nicht, die Musik kommt von alleine. Vielleicht hat er sogar gelacht Und: Er traut sich ganz allein nach vorne, ohne den Wald aus Zeichen, den er in Konzept und Optik um sich herum errichtet hatte. Auf den Coverfotos on“Hours… „war er als Mehrfach-Klon abgebildet, nun glaubt David Bowie offenbar wieder daran, dass er allein genug bedeuten kann – und fordert sogar Gott heraus. „I demand a better fiiture, or I might just stop loving you“, singt er zu einer süßen Spinett-Melodie, die kindliche, herzlich wenig enigmatische Konsequenz aus Randy Newmans „God’s Song“. Beste Platte seit „Scary Monsters“. Jetzt aber echt. JOACHIM HENTSCHEL

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates