Del Shannon – Home And Away – The Complete Recordings 1960-70

Er starb, wie das im Polizeibericht hieß, an „Wunden, die er sich selber zufügte“. In dem Fall mit einem Gewehr Kaliber 22, das man ihm besser weggenommen hätte, als der Doktor ihm Glücklichmacher gegen Depressionen verschrieb. Das neue, von Jeff Lynne und Heartbreaker Mike Campbell produzierte Album war so gut wie fertig aufgenommen, als sich Del Shannon – obwohl ziemlich euphorisch angesichts des möglichen Comebacks – umbrachte.

Bis dahin hatte er noch alle Krisen in seiner langen Karriere bewältigt. Zu seinen Fans zählten, auch und zumal in England, prominente Kollegen, die ihm Veröffentlichungen neuer Platten auch dann ermöglichten, als ihm Major Companies keine Chance mehr einräumten. „Rock On!“ wurde damit ein Vermächtnis, auf das er sich durchaus einiges hätte einbilden können, wenn er nicht unerwartet am 8. Februar 1980 in ein Loch tiefster Depression gefallen wäre.

Das Gefühl war ihm, in milderer Form zumindest, nie fremd gewesen. Wenn es in den frühen Hits von Del Shannon ein zentrales Thema gab, dann teen angst in allen möglichen Formen. Mit einem der berühmtesten Songs dieser Gattung, seiner von Tom Petty produzierten Cover-Version von „Sea Of Love“, hatte er 1981/82 sogar ein großes (gleichwohl kurzes) Comeback. Nicht weniger berühmt waren seine eigenen Beiträge zu besagtem Genre, Songs wie „Runaway“, „Hats Off To Larry“ und „Keep Searching“. Der Debüt-LP hätte er nicht denselben Titel wie der Hit-Single davor – also „Little Town Flirt“ – geben müssen, er hätte sie passenderweise auch „Smells Like Teen Spirit“ nennen können: In Sachen teen spirit war er nämlich Experte und kein singender Kleiderständer wie so viele andere Teen-Idole. Dabei erzählte er in seinen gerade mal zwei Minuten bis zwei Minuten und vierzig Sekunden langen Songs Geschichten über Untreue und Verzweiflung, gebrochene Herzen, kaputte Beziehungen und einsame Seelen, wie man sie so intensiv eher aus der Country Music kannte. Nicht ganz so verwunderlich, wenn man berücksichtigt, dass Del Shannon lange vorher schon ein großer Fan von Hank Williams gewesen war, bevor er von dem Novelty-Song „Runaway“ ein paar Millionen Singles verkaufte. Seine Plattenfirma war so klug, niemandem zu verklickern, dass er zu diesem Zeitpunkt – 1934 als Charles Westover geboren – schon nicht mehr so zarte 26 war. Was auch im Rückblick immer noch verblüfft: dass ihm die Fans die ausgesprochen misogyne Botschaft von „Little Town Flirt“ – lange vor einschlägigen Beiträgen von Bob Dylan, Bobby Womack und Rolling Stones zum selben Thema – durchgehen ließen und das auch in England (wie sieben weitere Singles) ein Top Ten-Hit wurde. Andrew Loog Oldham – ab sofort deswegen großer Fan – befand, dass er deswegen unbedingt auch „Under My Thumb“ aufnehmen müsse.

Nach der vom australischen Spezialisten Raven Records 1998 vorgelegten Doppel-CD „Del Shannon 1961-90“ ist das „Home And Away“-Set natürlich der pure Box-Set-Overkill: Nirgends die von Petty, Lynne usw. produzierten Raritäten der 80er Jahre, nur komplett die Aufnahmen aus seinen glorreichsten Jahren auf sechs CDs und jede Menge ausnahmsweise nicht schrottige, sondern bemerkenswerte Outtakes aus dieser Zeit. Selbstredend auch seine Aufnahmen der Hank-Williams-Songs. Und der kleine Hit, den er im Juni 1963 mit „From Me To You“ hatte – also ein halbes Jahr bevor die ganze Beatlemania wie ein Naturereignis über Amerika reinbrach. Ein untrügliches Gespür für Ohrwurmqualitäten von Songs hatte der Mann immer schon – auch dann, wenn die von weithin unbekannten Kollegen stammten.

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