Der Tod und das Mädchen – von Roman Polanski

Sie hat ihn mit der Pistole niedergeschlagen und an einen Stuhl gefesselt. Er schreit. Sie gibt ihm eine Ohrfeige, zieht ihren Schlüpfer aus, setzt sich breitbeinig auf seinen Schoß und knebelt ihn mit dem Slip. Dann schnuppert sie an ihm, gierig, voller Bitterkeit, Verachtung, Furcht und Erkenntnis. Triumphierend beißt sie ihm in den Hals. Der Schmerz, die Lust, der Haß und der Tod.

Diese animalische Intimität zwischen Ben Kingsley und Sigourney Weaver ist bereits der Höhepunkt in „Der Tod und das Mädchen“ obwohl oder gerade weil diese Szene am Anfang des Filmes steht Das Unverständnis für diese Situation schafft Ahnungen, Absurdität, gar Abscheu vielleicht. Die Frau saugt Erinnerungen auf, die sie vor Jahren mit dem Mann verbunden haben. Die seelischen Wunden daraus kehrt sie mit manischer und paranoider Gewohnheit nach außen: Mit versteinertem Blick hockt sie sich in eine Abstellkammer, die an einen Kerker gemahnt. In der Schublade des Nachttisches liegt eine Pistole, mit der sie am Fenster lauert, sobald sich ein Auto dem einsamen Haus am Meer nähert. Sie wartet ängstlich und sehnsüchtig zugleich auf ein Wiedersehen mit dem Bösen. Sie ahnt: Das Böse kommt immer – und zurück.

Es kommt in einer stürmischen Nacht in Gestalt des gudierzigen Arztes Dr. Roberto Miranda (Ben Kingsley). Der hat Anwalt Gerardo Escobar (Stuart Wilson), den Ehemann von Paulina (Sigourney Weaver), wegen einer Autopanne mitgenommen. Paulina glaubt, in Miranda den Arzt wiederzuerkennen, der sie während einer lateinamerikanischen Diktatur gefoltert hatte, weil sie nicht den Regimegegner Gerardo preisgeben wollte. Als sie ihn überwältigt hat, erklärt sie dem schockierten Gatten: „Ich habe ihn an der Stimme wiedererkannt – und am Geruch.“ Ihr letzter Beweis: Eine Cassette aus Mirandas Auto mit der Aufnahme von Franz Schuberts Streichquartett JDer Tod und das Mädchen“ – die Musik, zu der sie von ihrem Peiniger vergewaltigt wurde. Obwohl Miranda alles abstreitet und Gerardo alles für Zufall hält, ist alles erklärt und aufgeklärt – und der Rest nur ein Schattenspiel.

Bei „Ekel“ hatte Roman Polanski geschickt auf engstem Raum mit Metaphern gespielt, weil sie sich selbst genügten. In „Der Tod und das Mädchen“, als Psycho-Thriller ausgewiesen, scheitert er jedoch an seiner Ambition. Dem Kernthema – Gewissen und ambivalente Gewalt zwischen Täter und Opfer hat er nichts hinzuzufügen. Die Intensität, die ein derartiges Kammerstück den Darstellern abverlangt, reicht bei Wilson und Kingsley überdies nur zu hölzerner Bühnen-Theatralik.

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates