Rebecca Miller :: Die Stadtneurotikerin

In ihrer Paraderolle als verpeilte Großstädterin war Greta Gerwig noch nie so komisch.

Der Witz an „Maggies Plan“ ist, dass Maggie eigentlich keinen Plan hat. Die Mittdreißigerin möchte ein Kind, ihre Suche nach einem ansprechenden Erzeuger verlief bisher jedoch wenig erfolgreich. Die vermeintliche Lösung: ein fusseliger Großstadt-Öko, der eingelegte Gurken als Geschäftsfeld entdeckt hat, soll sein Sperma zur Verfügung stellen (no strings attached!), erweist sich nicht gerade als vertrauenserweckend, weil den Vaterschaftskandidaten schon der Versuch, den kleinen Plastikbehälter zu füllen, vor Probleme stellt.

Aber auch Maggie meistert das Leben nur mit Ach und Krach. In ihren Wollstrumpfhosen und bunten Strickpullovern wirkt sie eher wie ein angejahrtes Collegegirl, nicht wie eine berufstätige junge Frau, die über den nächsten Schritt in ihrer Lebensplanung nachdenkt. Ihre Ratgeber sind ebenfalls nur bedingt geeignet: Ihre besten Freunde, Tony und Felicia, müssen sich selbst noch mit der neuen Elternrolle arrangieren. Lebenspraktisch ist Maggie mehr oder weniger auf sich allein gestellt.

Diese Maggie ist eine Paraderolle für Greta Gerwig, die in ihren letzten Filmen die Rollen von It-Girls der an sich selbst verzweifelnden Generation Y mit dem Mut zur schonungslosen Entgrenzung durchgespielt hat. Im Grunde ist Maggie die ältere Schwester der ratlosen Couchsurferin Francis Ha und des Feierbiests Brooke aus „Mistress America“, deren soziales Kapital kaum über ihre persönlichen Unzulänglichkeiten hinwegtäuscht.

Regie führte in beiden Filmen Gerwigs Partner, Noah Baumbach, der im US-Kino als legitimer Erbe des New-York-Chronisten Woody Allen gilt – nur dass Baumbach, dem Zeitgeist folgend, Manhattan gegen Brooklyn vertauscht hat. Zusammen haben Gerwig und Baumbach die Blaupause einer modernen Variante von „Stadtneurotikerin“ entwickelt. Gerwig schreibt ihre eigenen Dialoge, deren markanteste Eigenschaft die beiläufige Verve ihrer bissigen Alltagsbeobachtungen ist.

Regisseurin Rebecca Miller versucht sich in „Maggies Plan“ also an der erprobten Formel Situationskomik plus romantische Verwicklung plus Milieustudie. Gerwigs Figur ist älter geworden, aber nur unwesentlich reifer. Man merkt den Filmen zunehmend an, dass Gerwig in ihrer charakteristischen Verpeiltheit nur noch als Projektionsfläche ihrer Regisseure herhält. Allerdings verkörpert niemand die mit den Zumutungen des modernen Lebens kämpfende Großstädterin so vollendet, und niemand bricht dieses Rollenschema charmanter und uneitler auf. Auch in „Maggies Plan“ gehören der hüftsteife Watschelgang, der Gerwigs komischen Körper in eine Art Wellenbewegung versetzt, und die linkischen Tanzeinlagen zu ihren Markenzeichen.

Maggie ist die Krönung dieser Evolution Gerwigs. Doch wie bei Woody Allens letzten Filmen (seit ungefähr 20 Jahren) beschleicht einen auch in „Maggies Plan“ das Gefühl, dass es am Ende um gar nicht so viel geht, wie es der Film permanent suggeriert. Das verzweifelte Augenrollen scheint seine Ursachen weniger in einer drohenden Existenzkrise zu haben, als vielmehr in Maggies Macken begründet zu sein. Denn just in dem Moment, als sie mit heruntergelassenen Hosen im Badezimmer ihre künstliche Befruchtung vornehmen will, platzt John (Ethan Hawke) in ihr Leben, dessen Karriere auf dem nicht minder obskuren Feld der fiktokritischen Anthropologie ins Stocken geraten ist und der mit der gefürchteten Harvard-Professorin Georgette (Julianne Moore) verheiratet ist. Die folgende Romantic Comedy mit Maggie und John erzählt Miller situationskomisch dicht und schlagfertig, wie kurz darauf auch das conscious uncoupling des frisch verliebten Paars. Maggie realisiert, dass John und Georgette füreinander bestimmt sind, und so hecken die ehemaligen Rivalinnen einen Plan aus, der das Ehepaar wieder zusammenbringen soll.

„Maggies Plan“ funktioniert am besten als Ensemblekomödie, weil Gerwig mit den „Saturday Night Live“-Veteranen Bill Hader und Maya Rudolph (in den Rollen von Tony und Felicia), vor allem aber mit der unerschrockenen Julianne Moore ein Personal zur Seite steht, das noch einmal ganz andere Komikregister zieht als der beschauliche Slackerhumor der letzten Baumbach- Filme. Allein Moore (meist in absurden Flauschpullovern) dabei zuzusehen, wie sie Maggies ungelenke Avancen – wie immer zwischen unerschütterlichem Optimismus und komplexbehafteten Selbstzweifeln – eiskalt abwehrt, ist umwerfend: „Dear, du scheinst mir etwas blöde“, sagt sie ihr mit seltsamem dänischen Akzent und mitleidigem Lächeln ins Gesicht. „Aber ich kann mir nicht helfen, ich mag dich.“ Keine Schauspielerin versteht es, Erniedrigungen so hinreißend unbedarft wegzustecken wie Greta Gerwig.

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