Die Sterne – Rauber und Gedärm

Die leidigen Umstände. Das Ekelhaftigkeiten des Neoliberalismus. Das falsche Leben in der Warenwelt: Alles große Verlockungen für den Rückzug ins Behaglich-Privatemotionale. Bringt natürlich nichts, weil das Elend draußen ja nicht kleiner wird, nur weil man es durch verniedlichende Butzenscheibenfenster betrachtet. „Räuber und Gedärm“ ist ein Album gegen die Wohligkeit. Die logische Fortführung des vorhergehenden Sterne-Albums „Das Weltall ist zu weit“, das einen generellen Hier-ist-etwas-faul-Verdacht formulierte und eine etwas diffuse Wir-sind-dagegen-Opposition aufstellte.

Wofür oder wogegen die Stimme erhoben werden sollte, war da noch nicht ganz klar und wird nun konkreter. Das achte Sterne-Studio-Album besingt das Unbehagen in der Kultur, ganz generell bis ziemliche konkret (beispielsweise den Produktcharakter von Musik), und es erscheint nicht als Pose oder billige Referenzsuche, daß die Sterne ihre Lieder unter anderem auf dem ehemaligen Landsitz von Ton Steine Scherben eingespielt haben, sondern als natürliche Nähe. Schnell und wuchtig sind diese neuen Lieder, immer noch mit dem Sterne-eigenen Indie-Funkrock-Trademark, doch auch mit wummrigem Surren, propellernden Bögen, kleinen VerStörungen. „Räuber und Gedärm“ ist nicht die wohlfeile, leicht konsumierbare Kapitalismuskritik für den kleinen Aufstand zwischendurch, dafür hat das Album zu viele Widerhaken: Die Spoken-Word-Anstrengung „Der Tunnel“, die mit schroffen Vokabelbrocken die Geschichte eines unterirdischen Bankeinbruchs nachstolpert, Herrenwortwitze wie „Unsere Ideen sind genital“, das gruselige geflüsterte „Was ist mein kleiner Grashalm“ (mit Schulenburgschem-Niedlichkeitseinschlag). Mitunter wendet sich die Kritik auch gegen den Kritiker, vor allem in der großartigen Obwohl-Hymne „Aber andererseits“, die mit unbarmherzigem Finger und scharfer Brotmessergitarre in der eigenen Larmoyanz herumpopelt (und die Klage „Ich habe keine Nerven!“ sehr zwingend damit kontert, das sei wissenschaftlich gesehen doch völliger Quatsch).

Merke: Wer noch Kraft zum Klagen findet, ist noch nicht komplett am Arsch. Und den Sternen ist zum rechten Zeitpunkt ein Album geglückt, das unangenehm durch die Matratze piekst, wenn man sich zu selbstgenügsam ins dicke Plumeau kuschelt. Denn von allen Gedanken schätzt man doch am meisten… genau.

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