Die Zone :: von Geoff Dyer
In den 80ern waren sogenannte „Bücher zum Film“ populär – eilig in Prosa gegossene Skripte der neuesten Kinohits. „Die Zone“ ist ein solches Buch – allerdings mit zwei entscheidenden Einschränkungen. So handelt es sich erstens bei dem verschriftlichten Film um „Stalker“ von Andrei Tarkowski, und wer mal eines der Werke des russischen Regisseurs gesehen hat, weiß, dass die sich in der Regel nicht zur Nacherzählung eignen, weil sie von nichts Speziellem handeln, sondern von etwas sehr Essenziellem: der Zeit, dem Zuschauer, dem Kino selbst. Und zweitens ist der Autor dieses Buches der Brite Geoff Dyer, ein brillanter Essayist, der sich Themen eigentlich nur setzt, um darüber zu improvisieren. Kein Wunder, dass sein schönstes Buch, „But Beautiful“, vom Jazz handelt.
Ein Mann, der sich Stalker nennt, verlässt Frau und Kind, um einen Schriftsteller und einen Wissenschaftler in ein streng bewachtes Gebiet zu führen: die Zone. Die beiden wollen dort den geheimnisvollen „Raum der Wünsche“ aufsuchen. Der Schriftsteller erhofft sich Inspiration, der Wissenschaftler will den Raum zerstören, weil er einen Missbrauch fürchtet. Doch auch Stalker selbst zieht es an diesen Ort, weil er glaubt, die Menschheit könne dort ihr Glück finden. Weltbilder werden ausgetauscht, die Protagonisten begeben sich auf eine Reise ins Innere. Dyer beschreibt im Plauderton Take um Take, erzählt Anekdoten von den Dreharbeiten, führt Exkurse zu Kunstfilm und Psychoanalyse, deutet und interpretiert, kalauert und assoziiert. Für seine Verhältnisse bleibt er dabei relativ nah am Gegenstand. Aber das ist immer faszinierend und überraschend, ist der Gegenstand doch die Unendlichkeit.(Schirmer/Mosel, 19,80 Euro) Maik brüggemeyer