Dinosaur Jr. – Hand It Over :: WEA

Es gibt viele Käuze in amerikanischen Gitarren-Bands. Es gibt Bob Mould. Frank Black. Mark Eitzel. Evan Dando. Es gibt noch mehr. Diesen aber ist die Neigung gemeinsam, sich über ihr Wirken, Werk und Wesen nur ungern zu äußern, es im Unklaren zu lassen oder ins Gegenteil zu wenden. Dando verstört Fragesteller mit infantilen Petitessen. Eitzel gibt den tragischen Clown. Black flüchtet sich in Größenwahn. Mould steht über den Dingen. In den seltenen lichten Momenten erfährt man schließlich, warum sie sich von Mitspielern getrennt oder die Band aufgelöst haben. Sie sind stets bei sich selbst und machen weiter wie bisher. Vor allem in und mit ihrer Musik.

Und es gibt J. Mascis. Der ist auch so und noch sonderlicher. Ein Stoiker, der sich einer eigenen Interpretation gänzlich verweigert – und auf Deutungen nicht mal belustigt reagiert. Warum auch. „Nothing’s Goin On“ heißt ein Song auf dem neuen Album Jtiandlt (her“, und am Anfang bietet er mit dem Titel „I Don’t Think“ den Analytikern eine Aussage an, die ihnen sicherlich beliebt und doch nichts bedeutet. Ist Mascis ein Ironiker? Exzentriker? Autist? Alles ist enigmatisch, scheint möglich, bleibt egal. So wie er in einem Song „I’m insane“ singt, und in einem anderen eben „I know you’re insane“. Die Welt ist verrückt, basta! Und Worte sind Mascis nicht wichtig. Es heißt, er notiere nicht einmal seine Texte. Dafür zeigen die Cover stets Gepinsel, das von Freak-Comic bis zur Kinderzeichnung wieder jeden Schluß zuläßt.

Ein Mysterium blieb auch der Abschied des brillanten Bassisten Lou Barlow, der daraufhin Sebadoh gegründet hat. Dann ging Schlagzeuger Murph, der kürzlich bei Dandos Lemonheads trommelte. Streit kann es nicht gegeben haben, denn Mascis wird niemals laut Vielleicht ging der somnolent wirkende Sensibilist schlafen, und als er aufwachte, waren sie weg. Zwar hatten sie zusammen mit der Platte „You’re Living All Over Me“ neben Sonic Youth oder Hüsker Du den Gitarrencore verfeinert, aber letztlich funktioniert Dinosaur Jr aus Mascis heraus. Mit „Where You Been“ gelang ihm ein romantischer Monolith mit herzzereißenden Melodien. Die überläßt er auf „Hand It Over“ zuweilen dem Feedback, einige Songs sind schneller und stampfen mehr. Sein geschlossenes Gitarrenspiel aber zerrt einen schwelgerischen, schrillen und schweren Schönklang hervor, der sich wie losgelöst in den Himmel schraubt und nach Ewigkeit strebt Mascis besingt nicht die Hölle, furchtet nicht die Finsternis. Und wer ihn durch die zerrissene Sanftheit seiner Stimme nicht versteht, der hört es an der zerquälten Sehnsucht seiner Saiten. In „Alone“, epische acht Minuten lang, erreicht er den Ausdruck von Neil Young zumindest wahrhaftiger als viele, die an jenen herangerückt werden.

J. Mascis, der große Schweiger, ist mit sich alleine ganz bei sich selbst. Man muß ihn als glücklichen Menschen begreifen.

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