Dinosaur Jr. – You’re Living All Over Me/Dinosaur Jr./Bug

So, wie das Label SST längst Legende ist, sind es auch die frühen Platten von Hüsker Du und Dinosaur Jr., jene Vinyls mit den kühnen Cover-Entwürfen und der wunderbar abenteuerlichen Typographie, damals Kleinodien in den großstädtischen Plattenläden und Schätze für Bescheidwisser. Noch heute raunen Fans der ersten Stunde, etwa die Filmregisseurin Allison Anders, über die Anfange von J. Mascis, der in Boston bald als Wundergitarrist galt, als Unberührbarer und eiserner Schweiger. Es war die Erfindung des Hardcore, des Vorläufers des so genannten Alternative Rock, der fünf Jahre später die Musikbranche umkrempelte.

Der definitive Moment der formativen Phase war das Jahr 1987. Die Anfange der Pixies, das Ende von Hüsker Du und „You’re Living All Over Me“ von Dinosaur Jr., ihrem zweiten Album nach dem lärmigen und unstrukturierten „Dinosaur Jr.“ (1985, 2) – mit der erschütternden Songfolge „Little Fury Things“, „Kracked“, „Sludgefeast“, „The Lung“ und „Raisans“, einem schmerzlichen, süßen, bösen, wehmütigen Gitarrendonner, der sogar Crazy Horse übertraf. Lou Barlow, später ein Lo-Fi-Enthusiast, war der Bassist bei dem Trio und erfüllte die Rolle des nerd. Seine Lieder waren die komischen, gezirpten, geräuschigen, unaggressiven.

Es war Barlows letzter Auftritt – bei „Bug“ (1988, 3,5) übernahm Mascis alles, nur das Schlagzeug nicht. Die meisten Leute lieben das Album, weil „Freak Scene“ drauf ist, der Song, der alles auf den Punkt zu bringen scheint, und das bekannte „The Post“. Dennoch ist diese Platte nicht aus so heißer Lava gegossen wie „You’re Living All Over Me“, nicht so roh und melodieselig.

Auch in der überarbeiteten Fassung ist es eine Sache nur für Extremisten, all diese Stücke, laut aufgedreht, offen im Zimmer zu hören. Nützt auch nichts. Man muß sich ihnen sehr laut unterm Kopfhörer aussetzen. Und wenn geklagt wird, daß der Geist von damals nicht mehr da sei, muß auch gesagt werden: Er war damals ebenfalls nicht da. Wir erträumten ihn uns in der Stube. J. Mascis veröffentlichte noch zwei großartige Werke auf Blanco Y Negro (Warner!), „Green Mind“ und „Where You Been“, und wäre 1993 beinahe zum Cobain-Nachfolger geworden. Doch Mascis gab sich notorisch mürrisch, muffig und müde, und so triumphierte Billy Corgan, der gerade „Siamese Dreams“ herausgebracht hatte und erst ein wenig später so unfreundlich und stur wurde wie Mascis.

Danach machten sie solche Platten sowieso nicht mehr.

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