Diverse – The Mercury New Orleans Sessions 1950 & 1953

Für die These, dass nicht Memphis und das Studio von Sun Records, sondern New Orleans die Wiege des Rock’n‘ Roll (und nicht Ike Turners „Rocket 88“, sondern Fats Dominos „The Fat Man“ der erste Rock’n’Roll-Song überhaupt) war, wurden immer wieder mal gewichtige Argumente in Stellung gebracht. In diesem sprichwörtlichen musikalischen Schmelztiegel war der New Orleans Rhythm & Blues ein je nach Vorlieben des Musikers unterschiedlich zusammengestelltes Gemisch aus Cajun und lateinamerikanischen Rhythmen, Blues, Trad und Big Band Jazz, Boogie Woogie und all den rollenden, zum Tanzen animierenden Piano-Rhythmen.

Damit hatte es Henry Roeland Byrd alias Professor Longhair vor Ort zu richtigem Idol-Status gebracht. Er trat in Clubs auch schon mal mit Band unter Namen wie Professor Longhair And The Four Hairs Combo auf, sah seine ersten Platten veröffentlicht unter Künstler-Pseudonymen wie Roy Byrd And His Blues Jumpers oder Professor Longhair And His Shuff-Iing Hungarians. Ein gewagter Band-Name für jemanden, der sich zwar auch bestens in Sachen Barrelhouse, Mambo und Rumba auskannte, aber von irgendwelcher Folklore aus Ungarn mit Sicherheit nicht die mindeste Ahnung hatte.

Aufnahmen machte er zunächst für Atlantic Records. Aber ein Manager von Mercury Records konnte ihn davon überzeugen, dass er dort nicht exklusiv unter Vertrag stehe und es kein moonshining sei, wenn er auch für die Konkurrenz aufnehme. Also lieferte er im Januar 1950 an Atlantic, wenige Monate später auch an Mercury. „Bald Head“ wurde der erste Rhythm & Blues-Hit, und mit den anderen hat er nicht nur Huey „Piano“ Smith, sondern auch weiteren Kollegen gezeigt, wo’s langgeht. Ein Ergebnis dieser Sessions war „Oh Well“ – auch das Proto-Rock’n Roll, von dem man Anklänge und Nachhall bei Little Richard, Chuck Berry & Co. hören solIte Ein paar konventionelle Blues-Nummern nahm Byrd damals auch auf, aber was jemand wie Ahmet Ertegun an ihm zuallererst und vor allem interessiert haben dürfte, waren diese entfesselten Piano-Exkursionen, mit denen er Boogie-Woogie schon in Rock’n’Roll transformierte.

Mercury-Manager Murray Nash machte damals auch mit ein paar anderen lokalen Größen der Stadt Aufnahmen, mit Blues-Sängerin Alma Mondy alias Lollypop, weil die Firma womöglich Ersatz für Dinah Washington mit ihren zunehmenden Drogenproblemen brauchte. Den Boogie-Woogie-Spezialisten George Miller And His Mid Riffs, in dessen Show-Band Anna Marie Woolridge alias Abby Lincoln die Attraktion war. Raymond Johnson, später bei Ricky-Nelson-Hits Session-Mietknecht.

Die und andere – darunter viele Outtakes – fand man Ende der 80er Jahre im Mercury-Archiv; hier erstmals auf zwei CDs versammelt.

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