Dover – The Flame
Manche Leute sind ja enttäuscht, wenn sie die spanische Rockband Dover live sehen und merken, dass der heiser biestige, durch fletschende Zähne geschluchzte Lead-Gesang nicht von der großen, blonden, schlanken, sondern von der
koboldhaft kleinen, dicken Frau kommt. Amparo (dünn) und Cristina Llanos (dick) sind Schwestern, sicher war Gitarristin Amparo das glücklichere Kind, dafür singt Cristina besser und macht die schöneren Liedtexte, in denen sie immer wieder ihre Liebe zu Paul McCartney einbaut und (in „27 Years“ auf diesem neuen Album) sogar sagt: „All I wanted was to be thin.“ Cristina steht seit elf Jahren bei Dover vorne, ist ein tolles role model und, falls sie nicht zu sehr übertreibt, die poetisch gerechte Siegerin eines Lebensdramas. „The Flame“ ist ihr erstes Album mit Kopierschutz, der einzige bemerkenswerte Unterschied zu den anderen drei Platten. Weil Dover bei uns noch nicht so bekannt sind, muss man dazusagen, dass die Band grundsätzlich nur Hymnenlieder macht, die jeder Sportverein und jeder Bergarbeiterstreik gut brauchen könnte, und dass sie jeden dieser kurzen Songs spielt, als wäre es ihr letzter. Sie verzerren die Gitarren bis zur Schallgrenze, weichen vom etablierten Grunge-Schema (leise Strophe, lauter Refrain) ab, indem sie auch die Strophe sehr laut spielen, und der Teil, in dem der Drummer ausflippt, die Schlagzahl verdoppelt und die Haare schleudert – der bei Rockbands meistens 20 Sekunden vor Schluss als finaler Effekt kommt – setzt oft schon in der Songmitte ein. Ein Stimmengewirr mit charmanten Übersetzungsfehlern, Cristina Llanos singt ihre Folksongs schnell und brüllt dabei, weil die Rhythmusgruppe California-Punk spielt. Je unbeholfener das Englisch, desto schmerzlich unverstellter klingen ihre Bekenntnisse. Wer nur ein einziges Dover-Album haben will, sollte aber das vorige nehmen.