Drucksachen :: von WOLFGANG DOEBELING
Christopher Sandford ist kein Mann, der tief schürft oder sich mit umständlichen Gedanken herumschlägt. Er schreibt Biographien fachmännisch, mit leichter Hand und ohne erkennbare Hingabe. Nicht einmal die Hauptfiguren seiner Lebensgeschichten scheinen ihn sonderlich zu interessieren. Sandford wahrt Distanz und hält das für Stärke. Eric Gapton hat er aus der Perspektive des Routiniers porträtiert und Mick Jagger, Kurt Cobain und jetzt auch David Bowie. „LOVING THE ALIEN“ (Little, Brown 8C Company, ca. 55 Mark) ist der ingeniöse Titel des Buches, bezieht er sich doch nicht auf das Verhältnis des Autors zum Künstler, sondern des Künstlers zum Leben und zur Kunst Die in Kürze erscheinende deutsche Übersetzung wartet mit dem dämlichen Titel „EIN MYTHOS WILL NICHT MÜDE WERDEN“ (Hannibal, 30 Mark) auf, aber auch mit einer brauchbaren Discographie und überdies mit einer Aktualisierung durch den Autor selbst, der Bowies Aktivitäten auf einen neueren Stand bringt, inklusive „Earth ling“ und seinem Gang an die Börse.
Dem Bowie-Fan hat das Buch wenig zu bieten, weder an Informationen noch an Einsichten. Dem Novizen aber doch eine ganze Menge. Vor allem die Zeitreise in die Jugend des David Robert Jones ist lesenswert, seine frühe Faszination für die Shadows und die späteren wie models Keith Reif und Brian Jones. Oder die Passagen über den frivolen Flirt des Thin White Duke mit Nazi-Symbolik und faschistischer Rhetorik, alles unausgegoren und ästhetisierend, gleichwohl nicht ohne Resonanz damals. Das Kampfblatt der National Front, „Bulldog“, lobte den blassen Futuristen überschwenglich für seine Pionierarbeit bei der Schaffung einer „White European Dance Music“, während ihn Rock Against Racism öffentlich an den Pranger stellte. Es war sicher das finsterste Kapitel in Bowies illustrer Karriere, und man fragt sich, wie er wohl heute über einige der so flotten wie fahrlässigen Sprüche denkt, die er Mitte der 70er Jahre in unschöner Regelmäßigkeit abgelassen hat Etwa den über Hitler: „I think he was one of the first rock stars. Look at some of the Bims and see how he moved. I think he was quite as good as Jagger.“ Heiliger Triumph des Willens, da errötet selbst Leni Riefenstahl. 3,0
Einen noch gewaltigeren Haufen politischen Blödsinns hat ein anderer Heroe über die Jahre verzapft, und ein kleiner Teil davon ist nachzulesen in „NEIL YOUNG IN HIS OWN WORDS“ (Omnibus, ca. 35 Mark), dessen eingedeutschte Fassung dankenswerterweise nicht „Ein Rocker will nicht Rentner werden“ heißt, sondern nur „NEIL YOUNG IN EIGENEN WORTEN“ (Palmyra, 30 Mark). Herausgeber Michael Headey, ein ausgewiesener Young-Kenner, hat auf hundert Seiten Zitate und Interview-Fetzen ausgebreitet, übersichtlich sortiert und mit Überschriften versehen wie „Songwriting“, „Drogen“, „Kritik“ oder eben „Politik“. Schade, daß einige der bizarrsten Verlautbarungen fehlen, jene etwa, mit der Young einst seine pro-nukleare Einstellung begründete: „Ohne Atomkraft kann man nicht zu den Sternen reisen, und ich wünsche mir, daß meine Enkel das noch erleben dürfen.“ Weniger rührend ist es, wenn er 1988 Klage führt, „daß man die Streitkräfte soweit hat verkommen lassen, daß unsere militärische Stärke genau zu jenem Zeitpunkt abnahm, als die anderne Supermächte zulegten. Das war einfach keine gute Spieltechnik“. Der Gitarrero als Machtmensch und kalter Krieger. Dann, ein Jahr später, wie zur Beruhigung: „Meine politischen Ansichten sind, gelinde gesagt, unstet.“ Tröstlich. 3,0
In eigener Sache, aus gegebenem Anlaß: Der blanke Sarkasmus, mit dem ich neulich in der Kolutnmne „My Typewriter“ unter der Überschrift „Rock’n’Roll Hall Of Shame“ Neil Young die Stange hielt, kam gar nicht gut an bei einigen Lesern, die lieber unflätige Schimpfkanonaden losließen, statt ihr Wörterbuch nach der Bedeutung von „advocatus diaboli“ zu befragen.
It is better to kam than it is to rust.