DRUCKSACHEN :: VON WOLFGANG DOEBELING

Niemand füllt die Fabel von des Kaisers neuen Kleidern in unserer postmodernen Zeit so mit Leben wie diese Einstürzenden Neubauten mit ihrem Metallbaukastengetöse und dieser labyrinthischen, labernden, ach so unorthodoxen Lyrik, die das Hirn perforiert und dem Alzheimer den Schrecken nimmt.

Da jagt eine Metabasis die andere, gestoßen und geschüttelt. Doch keiner ruft: Die sind ja nackt! Man könnte sich ja eine Blöße geben, als Kunstbanause dastehen oder, schlimmer noch, ab Konventionalist Und so wollen auch wir nicht ins offene Messer derer laufen, die Zadek für ein Regie-Talent und Bargeld für einen bedeutenden Dichter halten.

Statt dessen zitieren wir aus des Meisters Lyrikbändchen, das unmißverständlich

„BLIXA BARGELD: HEADCLEANER“ (Die Gestalten, 30 DM) heißt Er selbst fordert uns im Nachwort ja dazu auf. „Blixa Bargeld hat Texte geschrieben“, heißt es da frappant, „hier sind sie: Macht sie fertig!“ Nichts leichter als das. Wohlan…

„Berauscht am Klang der Waffen/ Werden meine Engel und ich Gott abschaffen/ Und ich will nicht länger warten/ Bis Gottes unendlicher Hoden/ Endlich in Flammen aufgeht.“ Kommentar von Rammstein (hinterm Vorhang): „Hat was, können wir aber besser.“ Mag ja sein. Weiter…

„Dachgeschoß: Es hat einen Schaden / Im Dachstuhl sitzt ein alter Mann / Auf dem Boden tote Engel verstreut / (deren Gesichter sehen ihm ähnlich).“ Was meinen Rammstein? „Echt gut, sollten wir covern.“ Genau. Next …

„Zwei Dinge sind unendlich: Die Dummheit und das All“. Rammstein: „Verstehn wa nich.“

„Herpes gleich, Poren in desssen Winkel besetzend, lauschen: und doch Erbrochenes/ Für aufgewühlte Innereien/ Und aufgewühlte Innereien für Erbrochenes verstehen.“ Rammstein: „Genial! Zugabe!“

„Das Lied schläft in der Maschine/ In der Maschine schläft das Lied/ Das Lied schläft in der Maschine/ In der Maschine schläft das Lied.“ Rammstein: „Is geil, weita, weita!“

Heute nicht, Männer. Nicht ohne Not. 1,5

Statt dessen wenden wir uns einem Zitatenschatz zu, der ungleich vergnüglicher, bedeutsamer und bewegender ist: das „LITTLE BLUES BOOK“ (Algonquin, 20 Mark), von Brian Robertson zusammengestellt und geadelt durch die Illustrationen von Robert Crumb. Auch hier nur einige Kostproben der versammelten Lebensweisheiten und Blues-Aphorismen…

„Born under a bad sign/ Been down since I began to crawl/ If it wasn’t for bad luck/ I wouldn’t have no luck at all.“ – Albert King „My stick of candy won’t melt away/ Just gets better so the ladies say.“ – Mississippi John Hurt

„I’m a stranger here/ Just came in on the train/ Won’t some good man teil me/ Some woman’s name?“ – Blind Lemon Jefferson

„Love can make a poor man rieh/ Or break his heart/ 1 don’t know which.“ – Muddy Waters

„If I don’t go crazy/ 1 will surely lose my mind.“ – Son House „Don’t want no woman who wears a number nine/ 1 wake up in the morning, can’t teil her shoes from mine.“ – Charlie Cambell

„The copper brought her in/ She didn’t need no bail/ She shook it for the judge/ And they put the cop in jail.“ – Tampa Red „If you talk in your sleep/ Please don’t mention my name.“ – Blind Willie McTell

„What makes a man go crazy/ When a woman wears her dress so tight?/ Same old thing that make a tomcat fight all night.“ – Willie Dixon „When a man gets troubled in mind/ He wants to sleep all the time/ He knows if he can sleep all the time/ His troubles won’t worry his mind“ -Bukka White „Now it’s a pity and a shame/ The tricky actions of a woman’s brain/ Soon as she find you want her and her only/ Right away she go and make a change.“ – Mercy Dee

Blues als way of life, funky, nicht chic, und der Blues-Sänger als Lebensphilosoph. Ein Büchlein zum Schmunzeln. Gibt nicht mehr so viele davon. 4,0

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