DRUCKSACHEN :: von Wolfgang Doebeling
Das beste Rock’n’Roll-Magazin heißt noch immer „Kicks“ und hat nur einen Schönheitsfehler: Es ist schon seit Jahren keine neue Ausgabe mehr erschienen. Die Wartezeit versüßt nun „THE GREAT LOST PHOTOGRAPHS OF EDDIE ROCCO“ (Kicks Books, ca. 40 Mark), ein veritables Pandämonium des Pop. Rocco arbeitete fiir Fan-Postillen wie „Hep“, „Jive“ oder „Ebony Song Parade“, hauptsächlich in Hollywood. Er hatte Zugang zum Backstage-Bereich, drang bis ins Allerheiligste vor, die Maske, und hielt so private Momente fest wie jenen auf dem Cover-Shot: Esquerita, der Pompadour-bewaffnete Piano-Pounder beim Schminken. Besser noch sind die zahlreichen Live-Pics aus den Fabulous Fifties: Ruth Brown, Johnny Otis, Jackie Wilson, Lionel Hampton, Dinah Washington. Auch die Sixties kommen nicht zu kurz, doch verlegte Rocco seine Aktivitäten mehr nach draußen: Roy Orbison beim Golf, die Beach Boys auf der Veranda, die Byrds im Garten, die Yardbirds am Meer, Bob Dylan vor Efeu. Alles bislang unveröffentlicht, alles in Duoton und versehen mit einem so coolen wie kenntnisreichen Vorwort von Miriam Linna. Brill! 4,5
Von Star Cluster (PF 1421,58798 Balve) steht ein weiterer Wälzer ins Haus: „STAMMBÄUME UND DISKOGRAPHIEN 2“ (70 Mark) versammelt Werdegänge und Werkschauen unter anderem von Kaleidoscope, Creedence Clearwater Revival, den New Riders Of The Purple Sage, The Move, Electric Light Orchestra, den Strawbs und, Schreck laß nach, Uriah Heep. Heinz-Dirk Zimmermann, der wie stets penibel recherchiert und gezeichnet hat, wirft abermals zusammen, was nicht zusammen gehört. Gut möglich, daß auf dem ganzen Planeten nur eine einzige Person lebt, die sich sowohl fiir den sagenhaften Rick Nelson begeistert wie für den unsäglichen Rick Wakeman. Ein bißchen bizarr, die Mixtur. Aber jeder ist seines Hobbys Schmied, und letztlich werden die harten Fans beider Ricks hier sogar auf ihre Kosten kommen. 3,5
Praktisch für Plattensammler und solche, die es noch werden wollen, ist „SCHWARZE SEITEN ’98“ (Kultur Buch, Humannstraße 47, 28239 Bremen, 20 Mark): Plattenläden, Mailorder-Firmen, Börsen und Fanzines. Dazu ein paar Artikel, mehr oder minder erhellend. „Wie giftig ist eine CD!“, fragt der Geschäftsführer eines CD-Herstellers und plädiert für Recycling. Gute Idee. So könnte der Audioschrott doch noch einer sinnvollen Verwendung zugeführt werden. Anderswo erfahren wir, daß in Baden-Württemberg ein vorsintflutlicher Paragraph sonntags jedes harmlose Vergnügen verbietet, so auch den Tauschhandel und die Fachsimpelei auf einer Plattenbörse: „An den Sonntagen“, so heißt es im „Feiertagsgesetz“ des Ländle, „sind während des Hauptgottesdienstes verboten: alle der Unterhaltung dienenden öffentlichen Veranstaltungen“. Da lacht der Pfaffe, und der Laie wundert sich. 3,0
Der „BLUES GUIDE GERMANY ’97“ (Verlag Dirk Föhrs, Freiherrvom-Stein-Str. 28,58762 Altena, 30 Mark) ist ein ebenfalls recht nützliches Adreßbuch für Bands, Labels, Agenturen, Medien und Veranstalter der hiesigen und auch heurigen Blues-Szene, die neuerdings wieder einen kleinen Boom erlebt und hier und da Blüten treibt, Stilblüten inclusive: „Nicht wenige Muskliebhaber zieht es angesichts der hochtechnisierten Tecknoklänge zurück zu handgemachter Musik. Eine Chance für den Blues!“ Genau. Tod dem Teckno! Lang lebe die Mucke. 2,5
„BLUE MONK“ (Hannibal, 45 Mark) von Jacques Ponzio und Francois Postif, eine biographische, musikologische und psychoanalytische Studie des Jazz-Genies Thelonious Monk, liegt jetzt auch in deutscher Sprache vor, und sei allen ans Herz gelegt, die den revolutionären Wandel vom Swing zum Bop nachempfinden wollen, und die neugierig genug sind auf die europäischen Abenteuer des ketzerischen und zugleich prophetischen Pianisten. Mine’s straight, no chaser. 4,0