Element Of Crime – Immer da wo du bist bin ich nie

Eine Element Of Crime-Platte zieht man an wie ein speckiges, an den Ärmeln zerschlissenes Jackett, in dessen Taschen noch Kinokarten und Kronkorken aus der Studentenzeit überlebt haben. Man zählt dabei wehrlos all die verlorenen Jahre und sieht sich in der Erinnerung traurig, träge und trunken in einer dunklen Kaschemme sitzen, wie auf einem dieser Fotos, die humorig-nostalgische Postkarten schmücken und unter denen „Ich hatte eine gute Zeit“ oder so steht.

Am Nebentisch greint ein Besoffener auf seine auch nicht mehr ganz frische Begleitung ein: „Nimm die Hand aus dem Auge, ich will dich seh’n. Wer nicht sitzen kann, liegt, und wer liegt, kann nicht mehr steh’n.“ Und dann ist man auch schon mittendrin in der neuen Platte. Ein bisschen raubauziger und störrischer als die manchmal etwas rührseligen letzten Alben, gibt Sven Regener den fahrig lamentierenden Kneipenphilosophen. Dabei gelingt ihm einmal sogar eine Systemkritik auf dem Bierdeckel, während die Band einen Rhythmus spielt, der jede Hochzeitsgesellschaft zum Schunkeln bringt. Und am Ende geht es in diesem wohl größten Song des neuen Albums („Kaffee und Karin“) dann doch wieder vor allem um die Liebe, die man nicht vergessen kann, denn natürlich ist auch „Immer da…“ wieder eine zutiefst sentimentale Angelegenheit. Aber wenn Regener im Titelsong zurückdenkt an die Zeit, in der alles besser war, tut er das mit degenhardtscher Verve und wenn er sich nach der Liebe sehnt, tönt dazu die schönste Element Of Crime-Musik, die sich denken lässt, die Gitarren tingeln und tangeln, Mundharmonika und Akkordeon geben die Tränenzieher.

Nur zwei Mal übertreiben sie es mit dem Element Of Crime-Sein. In „Der weiße Hai“, das klingt, als wolle es alle Klischees, die sich seit fast 20 Jahren durch Regeners Texte ziehen, noch einmal hinausquäken, und in einem putzig gemeinten Porträt einer Prekariats-Dame mit dem sprechenden Namen „Deborah Müller“. Recherchen in einem sozialen Netzwerk brachten übrigens an die 20 Teilnehmerinnen, die auf diese kosmopolitische Namenskombination hören. Und zumindest der tresenerprobte Refrain des Liedchens dürfte der ein oder anderen nicht fremd sein: „Der liebe Gott liebt dich, und wenn nicht, dann bin ich noch da.“ Sven Regener schaut lieber in sein Glas als in seine Seele. Aber manchmal findet er dort die Wahrheit.

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