Elvis Presley – Elvis At Sun
Kaum zu fassen, aber amtlich: Bei der Bertelsmann Music Group scheinen neuerdings nicht einmal die überragenden und wichtigsten Veröffentlichungen des Elvis-Presley-Kataloges eine sakrosankte Größe zu sein. Gestrichen wurde „Sunrise“, die Doppel-CD, auf der vor fünf Jahren die kompletten Sun-Aufnahmen von Elvis veröffentlicht worden waren. Vielleicht war es ja die letzte Ausfahrt, welche die Herren Jorgensen und Semon als Nachlassverwalter von allem Elvis-Vermächtnis ganz bewusst mit dieser CD wählten. Also die final mosten der Sun-Sessions von Elvis noch einmal ein wenig besser überspielt als bei den vielen LP- und CD-Ausgaben über die Jahrzehnte hinweg, bevor die dann jedermann veröffentlichen darf, wenn das Copyright erloschen ist Die dezent vorgenommenen und in so manchen Fällen doch relativ erfreulich ausgefallenen Neuüberspielungen sind das primäre und genau genommen einzige Kaufargument für den Elvis-Fan. Die Liner Notes versuchen einmal mehr, Licht in die teils noch und wohl für immer im Dunkeln liegende Entstehungsgeschichte von Presleys Sun-Aufnahmen zu bringen. So penibel, wie bei Tante EMI damals schon üblich, dokumentierte man bei der kleinen Firma halt nicht, wer da wann bei welchen Aufnahmen mit welchen Songs gerade im Studio zugange war. Von manchen existierten offenbar schon keine Bänder mehr, als RCA den ganzen Elvis aus seinem Vertrag für 50 000 Dollar herauskaufte. Etliches gibt es nur in Umschnitten von Azetaten und 78er Schellacks.
In diesem Fall gelang die Arbeit bestens: keine künstlich reingedrehten Pseudo-Bässe mehr, keine scheppernden Verzerrungen, die historische Patina dieses Sounds fast liebevoll rausstellend. Im Übrigen ist das natürlich nur eine Auswahl aus der eingangs erwähnten „Sunrise“-Doppel-CD. Hier kommen die final masters streng chronologisch gemäß den Aufnahme-Sessions sortiert, keinerlei dort gebotenes Live-Material aus der Frühzeit und keine Alternativ-Versionen. Oder jedenfalls fast keine.
Bleibt immer noch die Frage: Wie hätte sich der Gang der Popmusik wohl entwickelt, wenn das Trio sich nach dem rührseligen Schmonzes von „Harbor Lights“ und „I Love You Because“ bei der ersten Sitzung nicht zufällig an einer Cover-Version von „That’s All Right“ versucht hätte und der gerade mal reinhörende Sam Phillips sagte: „Was war das denn? Noch einmal!“