Erasmo Carlos

Carlos, Erasmo…

Light In The Attic/Cargo

Erasmo Carlos hatte sich in seinem Heimatland Brasilien bereits mit verführerischem Zuckerpop einen Namen gemacht, da entschied er sich auf der Welle des Erfolges, den Geist seiner heimlichen Vorbilder Elvis Presley, Chuck Berry und Little Richard zu beschwören. Ein nicht ganz risikofreies Unterfangen, das drei herausragende Studioalben zutage förderte, die nun in dieser Form zum ersten Mal remastert in Deutschland erscheinen.

Mit glühender Verehrung für den nordamerikanischen Rock’n’Roll und einer nicht von der Hand zu weisenden Faszination für die libertären Ansichten der Flowerpower-Bewegung wandelte der Musiker mit „Erasmo Carlos e os Tremendões“ (****) 1970 zum ersten Mal auf Singer-Songwriter-Pfaden und flocht dabei so ziemlich alle Genres brasilianischer Musik ineinander. Mit delikatem Orchestereinsatz („Gloriosa“), Bossa-nova-Flirts („Teletema“) und der mysteriös anmutenden Verschwörung von Samba und Rock („Coqueiro Verde“) setzte der Musiker ein erstes künstlerisches Ausrufezeichen, das ihm sogar eine eigene TV-Show einbrachte.

Gesprengte Genre-Mauern

„Carlos, Erasmo …“, das nur ein Jahr später folgte, ist ein Paradebeispiel für den Tropicalismo, ­jene von Gilberto Gil und Caetano Veloso angetriebene Kunstbewegung, die sich mit stilistischer Offenheit gegen die repressive Politik Brasiliens richtete. Schon der erste Song, „De Noite Na Cama“, ist ­eine damals kontrovers aufgenommene Marimba-­Liebeserklärung an den Marihuanakonsum. Mit Funk-induzierten Gitarren, zärtlich-anschmiegsamen Duetten („Masculino Feminino“) und atemberaubenden Stilwechseln zwischen meditativ-introvertierten Passagen und wildem Fusion-Rock („Gente Alberta“) sprengte Carlos Genremauern. David Byrne und Paul Simon hörten sicher interessiert zu.

„Sonhos e Memórias: 1941–1972“ (***1/2) ließ sich dann als nostalgische, zugleich persönliche wie musikalische Rückschau bereits fast wie ein Spätwerk verstehen, eine Verschmelzung von Soul, Jazz, Funk und Folkrock.