Faithless – Outrospective

Das Pulver schien verschossen. Nach besiegter Insomnia war bekanntlich Gott der DJ. Getanzt wurde trotzdem nur einen irdischen Sommer lang. Verendet sind die Großtaten schließlich auf Proll-Samplern wie „Kneipenhits Teil 3“. Die Ehrlichkeit gebietet daher: Wären Faithless gar nicht mehr aufgetaucht, die Trauer hätte sich in Grenzen gehalten. Für den Rausch gibt es ja noch Underworld. Oder, für etwas mehr Stil, die leichtfüßigen Elektro-Crooner von Air. Und wer braucht schon DJs?

Doch zwei Jahre sind keine Zeit und Faithless schon wieder da. Mit hehren Zielen im Gepäck. Das Cover impliziert Revolte und Aufstand, die Waffe ist – Überraschung! – der Beat. So wie es Oberhirni Dr. Motte zu jeder „Love Parade“ verlauten lässt. Doch Rapper Maxi Jazz, mehr das Leiden Christi denn bekennender Buddhist, hat nur Gutes im Sinn. Just think of those/ Out in the cold and dark/ ‚Cause there is not enough love to go round“, flüstert er in dem naiven, aber bildschönen „Not Enuff Love“. Oder die erste Single „We Come 1“. Eine kleine Hymne, für die Jean-Michel Jarre Pate stand. Im dazugehörigen Video fliegen schon wieder Steine.

Doch die richtig großen Würfe wollen weder Sister Bliss noch Rollo einfallen. Letzterer steht schon gar nicht mehr auf der Bühne, weil er eh kein Instrument beherrscht. Also muss musikalischer Feinschliff die Qualität sichern. Das gelingt vortrefflich bei „Muhammad Ali“ mit Old-School-Funk und „Saturday Night Fever“-Anleihen; „Giving myself away“ arbeitet gekonnt mit brodelnden Spannungskurven. „Machines R Us“, eine kleine Reminiszenz an Klaus Schulze und die 80er Jahre, erfreut ebenfalls kurzfristig.

Eine Revolution wird dieses Album dennoch nicht auslösen. Aber es zeigt, dass Faithless die leiseren Töne ebenso gut stehen wie hektisches Beat-Feuerwerk. Vielleicht sogar besser. Gereift, ganz klassisch. Auch ohne Gott.

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