Faust C’est Com…Com…Complique
Faust gehören zu der Sorte Legenden, von denen viele schon einmal gehört haben, deren Musik aber nicht einmal ansatzweise so präsent ist wie das Werk anderer, minderbegabter Krautrocker. Dabei ist das auf Polydor erschienene Debütalbum von 1970 schon „wegen der durchsichtigen Geisterfaust auf dem Cover bemerkenswert – die lärmende Musik überforderte damals allerdings Hörer und Kritiker gleichermaßen. Der Nachfolger „So Far“ war deutlich zugänglicher – klingt aber selbst heute noch aufregend neu —und enthielt den unschlagbaren Underground-Hit „It’s A Rainy Day, Sunshine Girl“. Trotzdem fanden Faust in Deutschland wenig Freunde, was vielleicht auch am Kunstanspruch des damaligen Managers Uwe Nettelbeck lag. I972 ging die Band deshalb nach England zu Richard Bransons frischgegründeter Plattenfirma Virgin, etablierte den Presslufthammer als Live-Instrument und trennte sich einige Jahre später aus den üblichen Gründen (die ungerechte Verteilung des erwirtschafteten Mehrwerts).
Nach einer 15-jährigen Kunstpause meldeten sich die Faust-Köpfe Jean-Herve Peron und Zappi Diermaier 1995 mit einem spektakulären Auftritt zurück: Zusammen mit Thurston Moore, Jim O’Rourke und dem japanischen Freetorm-Gitarnsten Keiji Haino spielten sie auf weit voneinander entfernten Hügeln und Felsen in der Wüste des Death Valley. Das von Jim O’Rourke in San Francisco produzierte Comeback „Rien“ folgte umgehend. Seitdem entstanden diverse Alben. „Derbe Respect, Alder“, die Kooperation mit dem Avantgarde-HipHop-Duo Dälek, ist darunter eins der aufregendsten.
„C’est Com…Com…Compique“ schließt fast nahtlos an den Sound der frühen Faust an. Wir hören Klangcollagen, Experimente in Postrock, Improvisationen. Die meist auf französisch gesungenen Texte stehen in der Nonsens-Tradition des Dada, sind eher Lautmalereien als erzählerische Elemente. Neben Peron und Diermaier war auch der langjährige Gastmusiker und Freund Amaury Cambuzat, von der französischen Band Ulan Bator beteiligt. „Bonjour Gioacchino“ lässt schweres Gitarren-Feedback und donnernde Drums auf pompöse Klassik-Samples treffen. „Stimmen“ präsentiert, was es verspricht: Stimmen aus der Mongolei, vor allem Obertongesang, oder selbst gemachte Schummelei — man weiß es nicht. „Petits sons appetissants“ klingt fast schwerelos folkloristisch, ein unverstärktes Lied, das sich immer leidenschaftlicher steigert, bis zur sinnlichen Raserei.
Aufgenommen wurde das Album unter der Regie von Tobias Levin, Chris von Rautenkranz hat das Mastering besorgt. Unter diesem Aspekt hat man fast das Gefühl, es gäbe eine direkte Linie von den Kraut-Pionieren Faust bis zur Genre-Überwindung diverser Hamburger Bands – von Cpt.Kirk ii bis hin zu Tocotronic. „C’est Com…Com… Complique“ ist keine leichte Kost, aber sie sorgt für ein zufriedenes Gefühl im Kopf.