Feeling Mortal :: Klassisch-nachdenkliche Country-Songs, von Don Was produziert

Kris Kristofferson scheint Ober-Highwayman Johnny Cash nachzueifern – singen fast bis zum letzten Atemzug. Warum auch nicht, wenn zuletzt Spätwerke wie „Closer To The Bone“ dabei herauskamen. Jetzt sieht der 76-Jährige im Titelsong zum Auftakt diesen alten Mann mit „wackeliger Selbstachtung“ im Spiegel. Klar, wie die Abendsonne im Meer werde er versinken, früher oder später, aber: „I’m a winner either way for the laughter and the loving that I’m living with today.“

In den Spiegel geschaut wird auf „Feeling Mortal“ noch häufiger, und Kristoffersons Kunst besteht immer noch darin, sich dabei nicht nur selbst zu erkennen. In diesem Sinne sind „Stairway To The Bottom“ und „Just Suppose“ klassisch-philosophierende Country-Songs vom Verlieren und Bedauern, die Produzent Don Was mit schmaler Besetzung und der Pedal Steel von Greg Leisz stilecht einrichtet und sich auch auf einem George-Jones-Spätwerk gut gemacht hätten. „Life is a song for the dying to sing“, hat Kristofferson auch rausgefunden und tut’s mit Gusto in „Bread For The Body“. Da schaltet auch die Band gern mal einen Gang rauf. Der Mann mag seine Zukunft hinter sich haben, aber er lässt sich nichts gefallen: „You Don’t Tell Me What To Do“. Sollte der von ihm angesprochene „shaky self-esteem“ nicht anders klingen?

Das Langzeitgedächtnis (soll mit den Jahren tiefer werden) hat Kristofferson mit „Castaway“ auch eine berührende Anekdote aus seinen jungen Jahren als Helikopter-Pilot überm Golf von Mexiko entlockt. Und natürlich geht auch ein bisschen Recycling mit „My Heart Was The Last One To Know“ schwer in Ordnung – ein Co-Write von einst mit dem großen Shel Silverstein. Apropos: Mann kann mit 76 auch prima Songs mit seinem früheren Selbst schreiben, wenn man als Kris Kristofferson in den Spiegel guckt. Rausgekommen ist eine beschwingte Ode an Freund „Ramblin‘ Jack“ Elliott. Der ist bekanntlich schon 81, aber zuletzt ja auch noch ganz kregel gewesen.

(KK/Proper/Rough Trade) Jörg Feyer

The Avett Brothers

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