Fight Club von David Fincher :: ab 11. November

Mit seiner apokalyptischen Ästhetik kann man David Fincher bereits in die Nachfolge von Ridley Scott stellen. Fetischistisch umkreisen sie in ihren Filmen seelisch derangierte, gehetzte Männer. Dass beide Reklamespots drehten und Fincher mit „Alien 3“ ein Erbe von Scott fortsetzte, ist zudem eine hübsche biographische Fussnote. Inhaltlich aber ist Fichner einiges finsteren Und nach „Seven“ und „The Game“ ist der „Fight Club“ nun sein abgründigstes Werk. Wie ein Leberhaken, der einem den Atem nimmt.

Bereits der Vorspann illustriert virtuos, wie der Film bis in die Poren aller Neurosen und Fassaden urbaner Zivilisation eindringt: Mikroskopisch saust die Kamera durch Haare, Schweiß und Haut – und endet auf dem blassen Gesicht eines Mannes (Edward Norton), in dessem Mund der Laufeiner Pistole steckt Er erzählt uns seine Geschichte. Sie beginnt damit, dass der Schadensermittler einer Versicherung vergeblich versucht, seine Schlafstörungen zu kurieren. Nennen wir diesen ganz normalen Bürger mal Bateman. Denn in den verschiedenen Gruppentherapien, die er jeden Abend besucht, trägt er wie aus Scham stets ein anderes Namensschild. Fincher schneidet permanent die ritualisierten Sitzungen mit Konsumprodukten gegen, bis die Farce beider Gehirnwäschen gewahr wird. In der „Remaining Men Therapie“ soll man sich an der Brust seines Sitznachbarn ausheulen. Bateman gerät stets an den fetten Bob (Meat Loaf). Danach skandieren diese Kastraten: „Yes, we are men, men what we are!“ Die Hölle.

Dann lernt er Tyler (Brad Pitt) kennen. Der ist ein schmuddelig-schillernder Dandy, haust in einer verrotteten Villa am Rande eines Industrieviertels und verführt ihn zum Saufen und Rauchen. Nach einer Balgerei mit blutigen Nasen fühlen sie sich gelöst wie kleine Jungs – und gründen den „Fight Club“.

Im Keller einer Kneipe prügeln sich fortan verunsicherte Kerle bis zur Bewusstlosigkeit. Ein physischer Urschrei als Umkehr politisch korrekter Umerziehung, der alle unterdrückten, als virile Lächerlichkeit preisgegebenen Instinkte aufplatzen lässt wie eine Eiterbeule. Die zerschlagenen Vereinsmeier sehen bald so aus, wie zynisch Mode beworben wild. Und Bateman geißelt sich mit downeskem Masochismus vor den Augen seines fassungslosen Chefs. Nur bei Maria (Helena Bonham Carter), einem fahl-mageren, Kette qualmenden, gefallenen Engel, bleibt er gehemmt.

Fincher kontert Symptome moderner Auswüchse mit ebensolcher animalischer Archaik. Kritiker werden sicher aufjaulen, der stupide Gewaltritus dieser atavistischen Nische könne bei Zuschauern in Affirmation umschlagen. Denn der Fight-Kult verbreitet sich wie eine sektenartige Seuche, und der Freiheitsschlag gegen Konformität kippt von anarchischen Bubenstreichen um in Terrorakte mit faschistoidem Kadavergehorsam. Dennoch bleibt diese „A Clockwork Orange“-Provokation oft so komisch-absurd, wie von Terry Gilliam und Tim Button erdacht. Am Ende könnte es Insomnia oder Schizophrenie sein. Wo alles aber krank ist, gibt es keine Lösung. In nihilistischer Romantik stehen Norton und Carter am Fenster, als eine Wolkenkratzer-Kulisse explodiert und einen glühenden Abendhimmel freigibt. Und dabei heben die Smashing Pumpkins eine schwermütige Eloge an. Infinite sadness.

Der gefährlichste Film zur Zeit. Bis übermorgen.

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