Fink – Vogelbeobachtungen im Winter
Der Sänger sieht ein bißchen wie der junge Jimmy Stewart aus – was gut zu einer Musik paßt, die mit knorriger Eleganz ihrem Ziel entgegenstrebt. Und das Ziel von Fink erscheint erst einmal, wie für Jimmy Stewart und die von ihm verkörperten Helden übrigens, unerreichbar: Country zu spielen, deutsch zu singen und sich nicht zum Deppen zu machen – dabei sind schon viele andere auf der Strecke geblieben. Doch die vier Hamburger, draufgängerische Pioniere einerseits und besonnene Dichter andererseits, haben einen Weg gefunden.
Sag‘ Grenzland dazu. Schon weil in den geheimnisvoll schimmernden Liedern ihres Debüt-Albums „Vogelbeobachtungen im Winter“ Phantasmagorien und Alltagsszenarien ganz eigentümlich ineinander aufgehen. Keine Ahnung, wo hier Kneipen-Prosa aufhört und Gothic-Poesie anfängt. Auf jeden Fall verbindet Sänger Nils Koppruch – mit leichter Hand und schweren Herzens – zeitgenössische Tresenelegien mit der Ästhetik der Romantik. Die Sehnsucht gebiert bei ihm Monstren: Eine Frau hat ein Loch im Kopf, das zärtlich mit Watte gestopft wird, eine andere ein Herz aus Holz. Die Nachtstücke von E.T.A. Hoffmann sind nicht schwärzer.
Kunsthandwerk, kaum zu glauben, wird dabei nicht einmal gestreift, denn bei Fink ist das Spiel mit Licht und Schatten immer mehr als schnöde Stimmungsmache. Man höre sich nur „Im Schatten“ an, ein düsteres Duett mit Peta Devlin von Die Braut haut ins Auge. Schon in den Eröffhungssentenzen wird der Hörer verschlungen: „Ich brauche keinen Kummer/ Davon hatte ich schon genug/Jede Menge Kummer/ Einen ganzen Güterzug/ Der nachts durch meine Seele rollt und meine Träume stört/ Und niemand ist verantwortlich/ Dem dieser Zug gehört.“ Will Oldham alias Palace ruft zerknautscht „Howdy!“. Für den amerikanischen Solitär Oldham dient Country dem Zweck, Sentiment in gleichsam überhöhten und entpersonalisierten Geschichten zu vermitteln, und auch Fink sind keine Gäste am Zaun zu irgendeiner privaten Hölle. Ein Wort wie „authentisch“ muß für sie schrecklich klingen.
Apropos: Roots-Fanatiker werden keine Freude an diesem Ensemble haben, das auf Konventionen nichts gibt. Obwohl Fink, die von den Westerntragöden 16 Horsepower geschätzt werden, manchmal Banjo oder Mundharmonika spielen, als seien sie, sagen wir mal, in den Bergen von Denver aufgewachsen. Oder, auch in Ordnung, in der Weite Oklahomas. Was den Hamburgern selbst ziemlich egal ist. Die relativieren zwar ansonsten keineswegs, singen aber:, J)er Wind in Oklahoma ist der gleiche Wind wie hier.“ 4,0