Gangs Of New York von Martin Scorsese :: Start 20.02.
Lange hat sich kein Film mehr so gewaltigt in seine Geschichte gesogen, geschwitzt, geprügelt und geblutet. Es beginnt im schwachen Fackelschein eines dunklen Lochs, der hintersten Ecke eines Höhlenschachtes. Der irische Priester Vallon (Liam Neeson) rasiert und rüstet sich, ergreift ein tnannshohes Kreuz und macht sich mit seinem kleinen Sohn Amsterdam an den Aufstieg. Es wird immer lauter, Trommeln ertönen, schwellen zu einem höllischen Dröhnen an. Immer weitere Männer mit Äxten, Messern, jeder erdenklichen Hiebund Stichwaffe und entschlossenem Grinsen schließen sich Vallon an. Schließlich hält die Menge vor einer Tür, die ein korpulenter, mit einer Keule bewaffneter Kerl auftritt. Dann ist es still, schwebt die Kamera auf einen schneebedeckten Platz, bis von der anderen Seite aus den Seitenstraßen eine Gruppe mit blauen Binden hervortritt, angeführt vom höhnenden Bill The Butcher (Daniel Day-Lewis). So beginnt das Gemetzel um Five Points, einem Destrikt im New York des Jahres 1846, ausgefochten von der Red Rabbit Gang aus irischen Immigranten und jenen Männern, die sich selbst nalives nennen, die wahren Amerikaner.
Das Menetekel von „Heaven’s Gate“, Michael Ciminos Spätwestern über den Besitzkampf amerikanischen Farmer gegen Einwanderer aus Osteuropa, schwebt über den „Gangs Of New York“. Und das nicht nur thematisch. Fast sieben Jahre hat Martin Scorsese das Epos geplant, mehr als zwei Jahre für Dreharbeiten und Schnitt benötigt, das Budget überzogen und mit Miramax-Produzent Harvey Weinstein gestritten. Und dann ist der Film gefloppt, hat er binnen vier Wochen nur 55 Millionen Dollar eingespielt, wurde er abgestraft.
Scorseses „Gangs Of New York“ ist ein imposantes Werk mit Schwächen. Leonardo DiCaprio wirkt als adoleszenter Amsterdam, der den Tod seines Vaters durch die Fleischermesser von Bill The Butcher rächen will, angestrengt in Mimik und Gestik, überfordert vielleicht, jedenfalls fehlbesetzt. Seine Liebesgeschichte mit Cameron Diaz, die als Taschendiebin allenfalls ein keckes Gesicht macht, ist überflüssig, lenkt nur ab und zieht die ohnehin über drei Stunden lange Story hin.
Zwischen dem fulminanten Auftakt und dem brillant gefilmten und montierten Finale mit den historischen Aufständen in den Armenvierteln ist die Opulenz meist zu beliebigem Ausstattungskino ohne visuelle Ideen geraten. In jedem Moment unvergesslich bleibt nur Daniel Day-Lewis‘ Darstellung als Bill, der Schlachter und Schlächter.
Aber all das ist eigentlich kein Makel, weshalb die Amerikaner „Gangs Of New York“ gemieden haben. Wie Cimino zeigt Scorsese eine Nation, die sich noch nicht gefunden hat, auf Unrecht, Rassismus, Gier und Dünkel errichtet wurde und mit dem Bürgerkrieg auf eine Zäsur zugeht. Und dass sich Feuerwehren verschiedener Parteien und Religionen vor einem brennenden Haus kloppen, ist seit dem 11.9.01 geradezu radikal.
Dennoch: „Gangs Of New Yok“ wirkt nach, holt einen im Schlaf noch ein und wird wohl zu einem unverrückbaren Klassiker wachsen.